Toedlicher Irrtum
hier fertig bin?«
»Nicht nötig. Sie können allein weitermachen. Grissom ist schon unterwegs, um mich hier abzuholen.«
»Warum das?«
»Er war dabei, als ich zum letzten Mal mit Black gesprochen habe. Darum will er jetzt auch dabei sein. Er fährt bei mir mit und lässt Ihnen den Tahoe da.«
»Das ist ein guter Plan.« Sie ging zum Schrank.
»Ich warte unten«, sagte Brass. »Ich lasse Sie wissen, wenn Gil hier ist.«
»In Ordnung.«
Sara setzte ihre Untersuchung fort. Der Schrank hatte nichts Interessantes zu bieten, und so widmete sie sich endlich dem monströsen Bücherregal in der Ecke: fünf Regalbretter vollgestopft mit Büchern. Die Kriminalisten, die vor ihr hier gewesen waren, hatten zweifellos jedes Buch durchgesehen, dennoch würde sie es ebenfalls tun. Eine ermüdende Arbeit. Nach drei Fächern ohne Ergebnis nahm sie an, dass diese Übung mit einer Enttäuschung enden würde.
Dann fiel aus dem Buch, in dem sie gerade blätterte, ein kleines Stück Papier heraus. Wie eine Feder schwebte es langsam zum Boden.
Mit einer Pinzette hob sie das Papier an einer Ecke hoch. Es sah aus wie eine zusammengefaltete Quittung aus einem Restaurant. Sara legte es auf den Schreibtisch und faltete es mithilfe einer zweiten Pinzette – um eventuell vorhandene Fingerabdrücke nicht zu beschädigen – auseinander.
Am oberen Rand standen die aufgedruckten Worte: Habinero’s Cantina. Die Botschaft, hastig mit rosaroter Tinte auf das hellgrüne Blatt gekritzelt, war so simpel wie kryptisch: FB, bei dir, 0100, A.
Sara hatte keine Ahnung, was das bedeuten konnte. Doch irgendeine Bedeutung musste diese Nachricht gehabt haben, denn sonst hätte Kathy sie bestimmt nicht zusammengefaltet in einem Buch versteckt. Die Frage war nur: welche Bedeutung?
Und wann hatte Kathy sie erhalten? Es könnte an dem Tag gewesen sein, an dem sie verschwunden war, oder – bedachte man, wie lange sie im Habinero’s gearbeitet hatte – irgendwann in den vergangenen beiden Jahren.
Sie wog das Buch, in dem sich die Botschaft versteckt hatte, in der Hand und las den Titel – Lady Chatterleys Liebhaber von D. H. Lawrence.
Ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Lippen. Ein Klassiker der Erotikliteratur, der vermutlich nicht auf der Liste der Lieblingsbücher von Mr und Mrs Dean stand.
Sie legte das Buch in einen Beweismittelbeutel, ehe sie auch den Zettel vorsichtig verstaute.
Grissom tauchte im Türrahmen auf, gefolgt von Brass, der jedoch im Flur stehen blieb.
»Irgendwas Bedeutsames?«, fragte Grissom.
»Bedeutsam? Allerdings.« Sie hielt die eingetüteten Beweise hoch.
Grissom warf einen Blick auf den Beutel mit dem Zettel und las ihn durch die Folie, ehe er ihn an Brass weiterreichte.
»Kann man damit was anfangen?«, fragte der Detective Sara.
Die schüttelte den Kopf. »Ich werde die Eltern danach fragen, bevor ich gehe.«
Grissom sah sich in dem Zimmer um. »Wie lange brauchst du noch?«
Sara zuckte mit den Schultern. »Halbe Stunde?«
»Gute Arbeit«, sagte Grissom, und dann waren er und Brass auch schon fort.
Fünfundzwanzig Minuten später lasen Jason und Crystal Dean im Erdgeschoss – beim Kaffee in der Küche – die Notiz und blickten einander verständnislos an.
»Weiß jemand von Ihnen, wer FB sein könnte?«, fragte Sara.
»Nein«, entgegnete Dean.
»Oder A?«
Dieses Mal verneinten beide gleichzeitig.
»Sind Sie sicher? Wie sieht es mit den Jungs aus, mit denen sie sich getroffen hat oder mit denen sie einfach nur befreundet war?«
Dean bedachte sie mit einem bitterbösen Blick. »Junge Frau, ich habe Ihnen, Ihnen allen, bereits hundertmal gesagt, dass unsere Tochter andere Prioritäten hatte. Sie hat sich mit niemandem getroffen. Sie ist mit niemandem ausgegangen.«
Plötzlich wurde Sara klar, dass es an der Zeit war, die Samthandschuhe auszuziehen, um dem Fall Kathy Dean die Ermittlungsarbeit zukommen zu lassen, die er verdiente.
»Mr und Mrs Dean, Ihre Tochter war schwanger, als sie starb.«
Mrs Deans Gesicht war eine weiße Maske mit riesigen Augen. Das Gesicht ihres Gatten war hingegen stark gerötet.
»Das ist eine verdammte Lüge«, schrie er. »Das ist unmöglich!«
»Unmöglich …«, ächzte die Mutter.
»Nein«, widersprach Sara. »Das ist es nicht. Der Bericht des Leichenbeschauers hat diesen Umstand bestätigt. Ihre Schwangerschaft könnte durchaus etwas mit ihrer Ermordung zu tun haben, und darum ist es unbedingt erforderlich, dass Sie versuchen, sich an jeden jungen Mann zu
Weitere Kostenlose Bücher