Toedlicher Irrtum
voller juristischer Bücher, ebenso die Wand gegenüber.
Catherine sah, dass niemand sonst im Raum war, steckte die Waffe zurück ins Halfter und atmete einmal tief durch, ehe sie zu dem Mann ging und nach seinem Puls tastete. Als sie seinen Hals berührte, richtete sie die Taschenlampe auf sein Gesicht.
Blitzschnell richtete er sich auf und grollte: »Was zum Teufel ist hier los?«
Catherine atmete scharf ein. Wer von beiden den größeren Schreck bekommen hatte, wusste sie nicht. Der tote Mann hob eine Hand, um das Licht abzuwehren, und Catherine wich hastig einen Schritt zurück. Ein entsetzlicher Gedanke ging ihr durch den Kopf: Hätte sie vor Schreck womöglich auf den Mann geschossen, wenn sie die Waffe noch in der Hand gehalten hätte?
Catherine hatte bereits zweimal im Zuge ihrer Arbeit einen Menschen getötet, und sie hoffte sehr, nie wieder in so eine Situation zu geraten.
»Mr Masters?«, fragte sie mit erstaunlich ruhiger Stimme, bedachte man, wie heftig ihr Herz noch pochte.
»Was zum Teufel …?«, jaulte er wieder. »Was zum Teufel machen Sie hier?« Sein Atem roch übelerregend süß – Weinfahne. In einem Wasserglas, das auf der Seite seines Schreibtisches lag, befanden sich Spuren einer rötlichen Flüssigkeit.
Sie hielt eine Hand hoch. »Bitte, Mr Masters, beruhigen Sie sich. Ich bin vom CSI. Wir dachten, Sie hätten vielleicht ein Problem.«
Er schluckte schwer und verdrehte die Augen. »Ich bin nicht tot. Tödlich besoffen, vielleicht …«
Licht flammte auf. Warrick hatte den Schalter gedrückt, als er und Vega ins Büro kamen. Der Mann am Schreibtisch bedeckte die Augen mit dem Arm und stöhnte.
»Sind Sie Gary Masters?«, fragte Vega und zeigte dem Anwalt seine Marke.
»Ja. Habe ich das nicht schon gesagt? Sie gehören zum CSI? Was wollen Sie von mir?«
»Ich bin Detective Vega, LVPD. Das ist Warrick Brown vom CSI, und Catherine Willows haben Sie ja bereits kennen gelernt. Sie gehört ebenfalls zum CSI.«
»Weswegen werde ich verhaftet?«, fragte Masters und rieb sich die Stirn.
Vega lächelte selten, jetzt tat er es, wenn es auch mehr nach einem finsteren Grinsen aussah. »Werden Sie nicht. Sollten Sie?«
»Nein!«, protestierte Masters. »Nein, natürlich nicht …«
Endlich schaffte er es, sich ein wenig zu strecken und erfolglos nach seiner verlorenen Würde zu suchen. Er war klein gewachsen, beinahe kahl, mit einem Büschel dünner brauner Haare auf dem Kopf und einem dichteren Streifen über den Ohren. Der Anwalt rang sich ein Lächeln ab und zeigte nun Zähne, die allesamt überkront waren. Sein zerknittertes braunes Hemd machte einen verschwitzten Eindruck, die Krawatte hing locker um seinem Hals, und der Hose war anzusehen, dass er in ihr geschlafen hatte.
»Sind Sie nüchtern?«, erkundigte sich Vega.
»Warum … ist es neuerdings verboten, seinen Schreibtisch unter Alkoholeinfluss zu fahren?«
»Sie werden viel Zeit für witzige Bemerkungen haben«, belehrte ihn Vega, »wenn sie die nächsten vierundzwanzig Stunden in der Ausnüchterungszelle verbringen.«
Ergeben hielt Masters die Hände hoch. »Ich bin nüchtern, ich bin nüchtern. Ein bisschen verkatert vielleicht, aber nüchtern. Wie ein Amtsrichter.«
»Und bereit, uns ein paar Fragen zu beantworten?«, fragte Catherine.
»Worüber?«
»Eine Reihe von Mordfällen.«
Seine glasigen Augen weiteten sich. »Mordfälle?«
»Als Anwalt werden Sie uns doch sicher unterstützen wollen. Nehmen Sie Platz. Unterhalten wir uns ein bisschen.«
»Also, schießen Sie los.«
Catherine zog eine Liste aus der Tasche und reichte sie dem Anwalt. Er studierte sie einen Moment lang und blickte Catherine dann erwartungsvoll an.
»Kennen Sie diese Namen?«, fragte Catherine.
Er nickte. »Klienten. Wo haben Sie das her?«
»Wir untersuchen die Umstände ihres Todes. Wissen Sie etwas darüber?«
Masters zuckte mit den Schultern. »Nur, dass sie tot sind. Aber sie wurden nicht ermordet. Sie haben sich einfach aus dem System verabschiedet.«
Catherine lächelte. »Fragt sich nur, aus welchem. Ist Ihnen je aufgefallen, dass sie alle am selben Ort gestorben sind?«
»Ja, im Pflegeheim.« Er zuckte mit den Schultern und verzog das Gesicht. »Da sterben dauernd Menschen.«
»Waren Sie je draußen im Sunny Day?«
»Ja, ein paar Mal.« Sein Blick wanderte von Catherine zu Vega und weiter zu Warrick. »Ich war nur dort, um meine Klienten zu besuchen, wenn sie Papiere unterschreiben mussten.«
»Wann waren sie zum letzten Mal
Weitere Kostenlose Bücher