Toedlicher Irrtum
Befragung von Rene Fairmont instinktiv gestoßen?«, fragte Catherine.
»Auf ihren Ehemann«, entgegnete Warrick.
»Richtig. Unser Gefühl hat uns alle drei direkt zu Derek Fairmont geführt. Und wie sieht es mit Derek Fairmont aus?«
»Noch mehr Sackgassen«, wusste Vega. »Es hat keine Autopsie stattgefunden.«
Warrick nickte verzagt. »Und er wurde ebenfalls eingeäschert.«
Catherine lächelte verschlagen. »Aber nicht vollständig. Er hat Organe gespendet, und sein Schädel tritt immer noch in Hamlet auf.«
»Wow, Cath«, sagte Warrick. »Worauf willst du hinaus?«
»Vielleicht Gift? Eine Menge Giftstoffe haben eine tödliche Wirkung und die Symptome ähneln denen eines Herzanfalls. Außerdem ist Derek Fairmont in einem fremden Land an einem Herzanfall gestorben.«
»Nehmen wir an, sie hat ihn vergiftet«, sagte Warrick. »Kommt mir zwar ziemlich dünn vor, aber nehmen wir es einfach mal an. Leider sprechen Schädel nicht.«
»Nicht?«
Warrick bekräftigte seine Worte mit einem Nicken. »Die DNS des Schädels bringt uns nicht weiter – wir wissen bereits, dass er Derek gehört. Und falls sie ihm so viel Gift verabreicht hat, dass es in den Knochen vorgedrungen ist, wäre das zum Zeitpunkt seines Todes nicht zu übersehen gewesen.«
»Zähne sind poröser als Knochen. Es ist einen Versuch wert. Und dann ist da noch die Universitätsklinik.«
»Die gespendeten Organe?« Warrick schüttelte den Kopf und lächelte müde. »Die sind längst weg, Cath.«
Sie nickte. »Vielleicht. Aber müssten sie nicht Gewebeproben archiviert haben?«
»Moment mal«, meldete sich Vega zu Wort. »Welcher Richter soll uns denn seine Zustimmung erteilen, diese Beweise zu sichern? Sie gehören nicht einmal zu dem Fall, den wir untersuchen.«
»Das ist nicht mal ein Fall«, stimmte ihm Warrick zu.
Catherine seufzte. »Vielleicht bin ich schon zu müde zum Denken. Was sollen wir noch tun?«
»Ich werde mit diesem Anwalt – Masters? – sprechen. Mir ist egal, ob er ans Telefon geht oder nicht«, entschied Vega. »Er hat schließlich den Nachlass der sechs toten Wohltäter geregelt.«
»Ich könnte auch ein bisschen frische Luft gebrauchen«, sagte Catherine. »Selbst wenn die frische Luft 45 Grad warm ist.«
»Nehmen wir den Tahoe?«, sagte Warrick.
Das Büro des Anwalts Gary Masters befand sich in einem Einkaufszentrum an der Jones, nicht weit vom Charleston Boulevard entfernt. Vorhänge verdeckten die Fenster, und die Rollos an den Glastüren waren tief herabgezogen. Vega versuchte sich an der Tür und fand sie unverschlossen.
Während Vega die Tür aufhielt, ging Catherine zuerst hinein und musste sogleich den Drang niederkämpfen, auf der Stelle umzukehren. Der Raum war dunkel wie ein Kerker und stank wie Fastfood, das zu lange in einem heißen Auto gelegen hatte. Der Geruch billigen Weins stach in die Nase.
Während es Pauline Dearden gelungen war, ihr kleines, schlichtes Büro in eine helle, einladende Kanzlei zu verwandeln, war Masters Büroräumen keine solche Verwandlung vergönnt gewesen.
Als sich Catherines Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte sie einen Mann, der hinter einem Schreibtisch auf der anderen Seite saß und dessen Oberkörper auf den Tisch gefallen war. Regungslos, den Kopf auf den Armen, ruhte er auf einem Haufen Papier.
»Wir könnten es mit einem Tatort zu tun haben, Leute«, sagte sie über die Schulter, und als der Mann nicht auf ihre Worte reagierte, schien das ihre Befürchtungen zu bestätigen.
Sie würde sich der Leiche – wenn es denn eine war – nähern und zunächst den Puls fühlen. Fand sie einen, würde sie tun, was sie konnte, um den Mann zu retten. Fand sie keinen, musste sie aufpassen, den Tatort nicht weiter zu verunreinigen.
Catherine zog ihre Mini-Maglite und ihre Pistole heraus. Der Mann am Schreibtisch schien außer ihnen die einzige Person in dem schäbigen Raum zu sein, doch man konnte in dieser Dunkelheit nicht sicher sein. Vorsichtig trat sie näher, Waffe und Lampe vor sich haltend.
Im Schein der Taschenlampe präsentierte sich ein zerschlissenes Sofa, ein Kaffeetisch, auf dem sich Zeitschriften aus dem Vorjahr stapelten, und ein schmutzig-brauner Teppich, der zu zwei Besucherstühlen und einem billigen Metalltisch führte. Ein blinkender Anrufbeantworter stand neben zwei Weinflaschen, von denen die eine leer auf der Seite lag, während die andere noch ungeöffnet aufrecht stand. Die Wand hinter dem Schreibtisch verschwand hinter einem Regal
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