Tödlicher Kick
einen Blick auf den Bildschirm.
»Das süße, kleine Mädchen, das nur durch widrige Umstände im Bordell gelandet ist und sich in einen Freier verliebt, der sich als strahlender Traumprinz entpuppt und mit ihr im Porsche in den Sonnenuntergang fährt, ist jedenfalls Schwachsinn«, meinte Danner. »Curly hat uns ein Märchen erzählt. Mongabadhi war garantiert nicht ihr bester Freund.«
Danner hatte einen Internetchat mit dem Titel Bitches in Bochum aufgerufen. Als ich die ersten Zeilen las, checkte ich, worum es ging: Freier tauschten sich über die Qualitäten der örtlichen Prostituierten aus.
Danner kramte das Telefon unter einem Papierstapel hervor und verschwand im Schlafzimmer. Ich blieb allein am Schreibtisch sitzen.
Wenig später war klar: Mein Vorstellungsvermögen war tatsächlich unterentwickelt.
Und das, obwohl ich bis zur Volljährigkeit vermutlich mit mehr Männern geschlafen hatte, als andere Frauen in ihrem ganzen Leben.
Der Punkt war, dass mich Sex nie sonderlich interessiert hatte. Interessiert hatten mich lediglich die geschockten Gesichter meiner Eltern beim Anblick des nackten, möglichst großflächig tätowierten Arsches meiner neuesten Eroberung. Ansonsten war ich ziemlich sicher gewesen, frigide zu sein, bis – na ja, bis Danner diesen Irrtum klarstellen konnte.
Jedenfalls verdankte ich meinem mangelnden Interesse an Sex wohl die Bildungslücken, die andere Menschen meines Alters längst mithilfe von Pornofilmen und selbst gedrehten Internetvideos beseitigt hatten. So war mir bisher entgangen, was Mann alles in eine Frau hineinstecken konnte.
Die hab ich gestern vollgepumpt, bis mein Saft ihr aus die Ohren wieder rauslief !!!, schrieb ein ›Kunde‹ namens geilomat , dessen Schwanz offenbar auch für die Grammatik zuständig war. Sein Bericht war allerdings unter den eher taktvollen Beiträgen einzuordnen, das wurde mir beim nächsten Statement klar.
Sexgotts Empfehlung des Tages lautete: Fragt unbedingt nach Alina! Das ist ganz frisches Fleisch, sag ich euch. Das Loch von der ist noch richtig eng und sie trägt Zöpfe und Zahnklammer – echt wahr! Sieht aus wie vierzehn und ’n Keks, wenn sie bläst.
Und Wichswurm wies im virtuellen Forum hilfsbereit auf medizinische Risiken hin: … eine Glasflasche kann ein Vakuum erzeugen und sich festsaugen, die kriegst du echt nicht mehr raus. Haust du dann den Boden kaputt, platzt bei der Schlampe innerlich was. Die verblutet wie ein abgestochenes Schwein …
Das hatte ich nicht wissen wollen.
Tja, zu spät.
Ich schlang die Arme um meine an den Körper gezogenen Beine und presste mir die Knie auf die Augen, bis ich schwarze Sternchen statt der in meinem Kopf explodierenden Bilder sah.
Ich versuchte erneut, mir Curly mit einer Waffe in der Hand vorzustellen.
Auf einmal gelang es.
19.
»Diese Kuh!« Danner donnerte das Telefon in die Polster des Sofas.
Eine Sekunde lang traute ich mich nicht aufzusehen. Die Bilder würden zurückkehren, sobald ich nicht mehr auf der Hut war. Verblüffend, dass sich auch etwas, das ich nicht gesehen hatte, in mein Gedächtnis einbrennen konnte wie überkochende Milch in eine Herdplatte.
»Besuchsverbot«, grollte Danner. »Ausdrücklich. Wir beide dürfen nicht zu Curly in die U-Haft. Dabei hätte ich gern gewusst, wie es um Mitarbeiterzufriedenheit und das Betriebsklima bei Esmeralda bestellt ist.«
Ich hob vorsichtig den Kopf von den Beinen. »Klingt nach einem lustigen Scherz deiner verflossenen Polizeipräsidentin.«
Danner hob den Mittelfinger.
»Wenn Lenny dagegen nicht auf der Stelle was unternimmt, kann in Zukunft seine Klara für ihn kochen.« Er schnappte erneut nach dem Telefon.
Es klopfte an der Wohnungstür.
Molle. Ich erkannte ihn an der Art, wie er gegen die Tür bollerte. Während Danner Staschek am Telefon beschimpfte, öffnete ich dem Dicken die Tür.
»Hast du Hunger auf Milchreis mit Zucker und Zimt?«, wollte Molle wissen. »Oder kocht Ben etwa wieder?«
Er streifte den gereizt durch den Raum tigernden Danner mit einem kurzen Blick, der seine Frage offensichtlich beantwortete.
»Du musst eine gut verkleidete Fee sein, die meine Wünsche erfüllt«, strahlte ich den Dicken an.
»Wieso ist er denn derartig entzückend drauf?« Molle deutete mit einem Finger vage in Richtung Kneipendecke, während er die mit dampfendem Milchreis gefüllte Schüssel auf das karierte Tischtuch schob. Die gesamte Kneipe duftete nach Zimt.
»Gestern hat er Scotch getrunken«, sagte Molle,
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