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Tödlicher Kick

Tödlicher Kick

Titel: Tödlicher Kick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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attraktiv und legte offensichtlich auch Wert auf sein Aussehen: Ende zwanzig, mit sorgfältig schmal rasiertem Kinnbart, schulterlangem, dunklem Haar und coolem Hard-Rock-Shirt hätte er auf die Bühne eines Rockkonzerts gepasst. Ein wenig war es, als würde mir Bon Jovi den Kaffeepott auf den Tresen schieben.
    Seine tätowierten Finger fielen mir erneut auf: Sämtliche Handknochen hatte er sich in Schwarz in die Haut stechen lassen. Als würde mir ein Skelett den Becher reichen.
    Ich stellte mich an den Stehtisch auf dem Gehweg und legte mein Handy auf die Plastiktischplatte.
    Hi , begann ich eine SMS. Franzi, fügte ich nach kurzem Überlegen hinzu. Dann wusste ich nicht weiter.
    Bin bei Ben rausgeflogen?
    Gab Krach?
    Kann ich heute bei dir pennen?
    Die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen. Rasch sah ich zum Haus gegenüber, um mich abzulenken.
    Gerade trat ein Mann aus der Tür. Ein jugendlicher Typ mit auffällig federndem, beinahe beschwingtem Gang. Über seinem Pulli trug er eine schwarze Daunenweste. Hatte der sich soeben im Esmeralda bedienen lassen?
    Schwer zu sagen, es gab noch andere Wohnungen im Gebäude.
    Aber der Typ war weder ein notgeiler Greis noch ein grässlicher Gnom. Hm.
    Ich senkte meinen Blick wieder auf das Display meines Handys. Hallo Franzi, hast du heute Abend was vor?, tippte ich.
    In dem Augenblick wurde ein zweiter Kaffeebecher auf den Tisch gestellt. Ich musterte die Hand mit den langen Fingern, den manikürten Nägeln und den modischen Ringen. Zwischen den Mittelhandknochen sank die Haut leicht ein, was mir schon, bevor ich aufsah, verriet, dass die zur Hand gehörende Frau sehr, sehr schlank sein musste.
    Sie war groß und trug ein froschgrünes Businesskostüm mit kurzem Rock, die Farbe ihrer dunkel umrandeten Augen war die gleiche. Dass sie ihr lackschwarzes Haar zu zwei mädchenhaften, schulterlangen Zöpfen geflochten hatte, passte nicht zu ihrem schick-seriösen Outfit.
    »Du siehst aus, als könntest du eine Kippe vertragen.« Sie hielt mir ein Päckchen Zigaretten hin.
    »So schlimm?« Hastig wischte ich mir durchs Gesicht.
    Sie nickte. »Haste Stress zu Hause?«
    Ich griff nach der Zigarette, ließ mir Feuer geben und sog das Nikotin tief in die Lungen. Der Rauch ätzte in meiner Kehle und irgendwie gefiel mir das. Es half nichts, mir was vorzumachen. Danner hatte mir wehgetan. Sicherheitsabstand vergessen. Selbst Schuld.
    »Wer ist denn das Arschloch? Papa? Mami? Oder dein Freund?«, erkundigte sich die Dunkelhaarige. »Nun sag schon. Meistens wird es doch besser, wenn man mal drüber quatscht.«
    Wohl kaum.
    »Er hat mich rausgeschmissen«, sagte ich trotzdem, weil ich die Frau sowieso nie wiedersehen würde.
    »Dein Freund? Der hat wohl eine Macke!«
    »Jetzt hab ich keine Ahnung, wo ich heute Nacht pennen soll.«
    »Was ist denn mit deinen Eltern?«
    Ich winkte ab: »Der Witz des Jahres.«
    »Auch Stress, oder was?« Sie war hartnäckig.
    »Da bin ich schon lange weg.«
    »Die wissen gar nicht, wo du steckst?« Ich meinte, einen gewissen Respekt in ihrer Stimme mitschwingen zu hören.
    »Und das ist gut so.« Ich pustete trotzig den Rauch in die Luft. Irgendwie tat es tatsächlich gut, darüber zu sprechen.
    »Und Freundinnen, bei denen du unterkommen kannst, hast du auch keine?«
    Ich erinnerte mich an die SMS an Franzi, die darauf wartete, abgesendet zu werden.
    Die Fremde legte mir mütterlich einen Arm um die Schultern. »Du hast echt unverschämtes Glück, weißt du das? Bei uns in der WG ist zufällig gerade ein Zimmer frei geworden. Du kannst mit zu mir kommen, was meinst du? Es ist gleich da drüben.«
    Oh.
    Mein Blick folgte ihrem ausgestreckten Fingernagel. Auf die andere Straßenseite. Zu den zugezogenen Jalousien im zweiten Stock.
    »Ich zeig es dir einfach mal. Und wenn dir die Bude gefällt, finden wir einen Weg, damit du bleiben kannst.«
    Sie hakte sich bei mir unter, wie es meine Freundin Lena immer machte. Richtig gewöhnt hatte ich mich bis heute nicht daran.
    »Wir sind zwischen vier und sechs Frauen. Wir wohnen und arbeiten zusammen. Und gleich machen wir erst mal eine Flasche Schampus auf und du scheißt auf den Kerl. Du bist nicht auf deinen Macker angewiesen. Ich heiße übrigens Esmeralda.«
    Wahnsinn!
    Was war denn das für ein kurioser Zufall, dass sie ausgerechnet mich angesprochen hatte?
    Andererseits – vielleicht ist das gar nicht so furchtbar zufällig, ging es mir durch den Kopf, denn wahrscheinlich war ich genau die Sorte

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