Tödlicher Kick
Vespa zu sein, deren Wert er per Preisvergleich der aktuellen eBay-Angebote zu überprüfen gedachte.
Sein Machospruch aus der Zeitung kam mir wieder in den Sinn. Toll, der Typ sah in mir vermutlich gerade sein neues, blondes Spielzeug.
Er neigte den Kopf zur Seite, um einen unverschämten Blick auf meinen Hintern zu werfen.
»Lasss deine dreckigen Finger von dem Mädchen, du Ssau!«, brauste der bullige Schläger in dem Moment auf.
Weil Danner telefonierte, konnte er sich befreien und auf Goldstein zustampfen. Danner ließ sein Handy hastig in die Jackentasche flutschen und packte den Wutschnaubenden an der Schulter.
Der Fremde riss sich los. Er war nicht größer als Danner, aber deutlich breiter gebaut, übergewichtig und tätowiert. Sein Schädel saß eingeklemmt zwischen den Schultern und war oben merkwürdig platt, als hätte er als Kind einen Kopfsprung vom Wickeltisch gemacht. Seine Brauen hingen als dicke, buschige Wulst über seinen Augen.
Obwohl Goldstein den Blick auf meinen Hintern eigentlich mit einem weiteren Zahn hätte bezahlen müssen, stoppte ich den wütenden Angreifer mit ausgestreckten Armen.
»Sie sind Moesha Schmidtmüllers Vater, nicht wahr?«
»Wie bitte?« Jetzt wurde Goldstein laut. »Was wollen Sie denn von mir? Ich hab Ihrer Tochter doch nichts getan!«
»Du sssickst deine Sspieler doch in den Puff, du Ssack!«
Die Wache der Bochumer Bereitschaftspolizei befand sich direkt gegenüber vom Stadion. Hoffentlich mussten die Beamten nicht erst noch ihren Kaffee austrinken, sonst konnte die Lage für Goldsteins Zähne doch noch heikel werden.
»Körperverletzung und Verleumdung, meine Anwälte von Weißbrodt, Kater und Schmidt werden Ihren armseligen Pflichtverteidiger auseinandernehmen«, ätzte Goldstein. »Und wie meine Jungs einen Sieg feiern, ist deren Sache. Sie sind schließlich alle erwachsen. Ihre Kleine übrigens auch. Ficken ist eine Dienstleistung, würden Sie ihre Kunden auch vertrimmen, wenn sie Masseuse wäre?«
Schmidtmüller jaulte wie ein getretener Hund. Danner stemmte sich gegen ihn, um ihn zurückzuhalten, während Goldstein das Gras von seinem Mantel klopfte.
Hatte Curlys Vater einen Rachefeldzug gestartet? Wollte er alle büßen lassen, denen er irgendwie eine Schuld für die Rotlichtkarriere seiner Tochter zuweisen konnte? Einen nach dem anderen?
Ich dachte an Oran Mongabadhis zerstörtes Gesicht. Ich konnte mir vorstellen, wie Schmidtmüller den Jungen erschoss. Problemlos.
»Soll ich Ihnen was sagen?«, zischte Goldstein. »Sie kommen mit Curlys Beruf nicht klar.«
»Ihr Name isst Moesssa!«
»Schämen Sie sich, wenn die Nachbarn fragen, was Ihr Töchterlein beruflich macht? Oder die liebe Familie? Kommt das bei Oma Inge nicht gut an?«
»Halt die Fressse!«, schrie Schmidtmüller.
Doch Goldstein dachte nicht daran: »Wachen Sie mal auf! Sie ist über achtzehn, sie kann tun, was sie will. Und sie verdient nicht schlecht in dem Business.«
Die Diskussion lähmte mich. Im Kopf. Weil mir Goldsteins Argumente unmöglich und gleichzeitig so einleuchtend vorkamen.
Wir hatten Curly nicht mal gefragt. Wir hatten nicht gefragt, ob sie den Job freiwillig gemacht hatte.
Gern?
Im Zusammenhang mit Prostitution klang das Wort absurd.
»Kindersssänder!«, tobte Schmidtmüller. »Ich ssslag dich tot! Verlasss dich drauf!«
»So schnell wird da nichts draus«, bremste ihn ein uniformierter Bereitschaftspolizist, der gefolgt von einem älteren Kollegen durch das offene Tor auf das Spielfeld trat.
Na endlich.
Von ihrer Tätigkeit hatte Curly so emotionslos berichtet, als würde sie Patchworkdecken zusammennähen.
Ich war wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass die selbstbestimmte Prostituierte, die gern in Talkshows über die Vorzüge ihrer Tätigkeit plauderte, genauso ein Märchen war wie Curlys Pretty-Woman- Geschichte.
Hatte ich mich da geirrt?
Hatte ich mich zu sehr von meinen eigenen Erfahrungen beeinflussen lassen? Lange Zeit war ich bei meinen Dreitagesbekanntschaften nicht gerade wählerisch gewesen. Die schnelle Nummer mit einem asozialen Analphabeten auf der neuen Wohnzimmergarnitur meiner Eltern war schlicht das effektivste Mittel gewesen, meinen Vater zum Explodieren zu bringen. Spaß hatte mir Vaters Tobsuchtsanfall gemacht, nicht der Sex.
Ganz kurz blitzte ein Bild aus meiner Erinnerung auf.
Seine Dreadlocks riechen nach kaltem Rauch.
Ich hatte das in schöner Regelmäßigkeit durchgezogen, so oft wie möglich.
Aber nicht acht
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