Tödlicher Kick
aussprach, wusste ich, dass ich zu weit gegangen war. Der Vergleich mit seinem Vater war ein Tritt in die Eier gewesen. Und der hatte gesessen.
»Raus«, zischte Danner tonlos.
Bevor ich begriff, was passierte, hatte er mich an den Schultern gepackt und schob mich zur Seite, um die Tür aufreißen zu können. Er griff nach meiner Jacke, die ich gerade erst an die Garderobe gehängt hatte, und pfefferte sie an mir vorbei ins Treppenhaus.
Wortlos verließ ich die Wohnung, hob meine Jacke vom Boden auf und ging.
»Sei froh, dass ich nicht wirklich wie mein Vater bin«, brüllte Danner mir hinterher. »Dann würden dir nämlich jetzt ein paar Zähne fehlen.«
Ich drehte mich nicht mehr um.
Die Tür knallte hinter mir zu.
20.
Der hatte mich wirklich rausgeschmissen.
Dieser Dreckskerl!
Ich rannte. Immer geradeaus. Einfach nur weg.
Beinahe hatte ich schon nicht mehr geglaubt, dass dieser Tag kommen würde. Mist.
Meine Hände durchwühlten meine Taschen. Mein Handy war da, mein Portemonnaie mit einer bis zum Anschlag überzogenen Kontokarte und zwanzig Euro. Wenigstens meine Papiere hatte ich dabei. Und den Federhalter. Ein schweres Ding aus Metall, mit einer scharfkantigen Stahlspitze. Seit ich als Detektivin arbeitete, hatte ich mir angewöhnt, immer einen Füller bei mir zu tragen. Man konnte nie wissen, wozu man einen brauchte.
Von einem Moment auf den anderen stand ich, wo ich vor über einem halben Jahr schon einmal gewesen war: auf der Straße.
Dabei hatte ich schon angefangen, an mein eigenes Märchen zu glauben. Danner war schlauer gewesen. Der achtete noch immer sorgfältig darauf, mich nicht zu nah an sich heranzulassen.
Scheiße.
Mein Blick blieb am Straßenschild vor mir hängen.
Humboldtstraße …
Schwer atmend blieb ich stehen.
Ich war in Richtung Bermuda-Dreieck gelaufen. Wie das mysteriöse Seegebiet im Atlantik war auch Bochums Feiermeile durchaus in der Lage, Personen spurlos verschwinden zu lassen. Allerdings nicht kurz nach Mittag.
Ich bog in die Humboldtstraße ein, wie eine Motte, die vom Licht angezogen wird. Am Ende der Straße konnte ich das mausgraue Haus schon sehen.
Plötzlich wusste ich, wie sich Curly gefühlt haben musste, an dem Tag, an dem Esmeralda sie angesprochen hatte. An dem sie geahnt hatte, worauf sie sich einließ und es trotzdem getan hatte.
Dieses Gefühl, ganz dicht dran zu sein, lenkte automatisch meine Schritte. War es möglich, dass Curly sich prostituiert hatte, weil sie einfach nicht wusste, was sie sonst machen sollte?
Hatte sie es ausprobiert und festgestellt, dass es ihr tatsächlich nichts ausmachte? Dass sie einfach gar nichts fühlte und es ihr scheißegal war, was die Typen mit ihrem Körper anstellten, weil sie ihre Seele sowieso nicht berühren konnten?
Ich zog die Ärmel meiner Cordjacke über die Finger, schlang die Arme um den Körper.
Was tat ich hier eigentlich?
Mein Blick wanderte zu den heruntergelassenen Jalousien im zweiten Stock hinauf. Höchste Zeit, das Hirn wieder einzuschalten, sonst erging es mir wirklich noch wie einem suizidgefährdeten Insekt.
Wo konnte ich hin?
Zu Molle?
Ein gemeiner Schmerz bohrte sich in meine Brust.
Ich konnte auf keinen Fall in Danners Nähe sein, wenn wir nicht mehr zusammen waren. Ich würde Amok laufen, sobald er die nächste Sex-und-Hopp-Affäre mit einer auf Lack und Leder fixierten Nachwuchsneurologin anfing.
Ich wischte mir mit dem Ärmel über die Augen.
Was war mit Lena, Karo oder Franzi? Dummerweise gingen meine Freundinnen alle noch zur Schule und wohnten bei ihren Eltern. Allerdings war Franzis Mutter ganz locker drauf, fiel mir ein. Die würde vielleicht nicht gleich den Chef der Mordkommission über meinen Aufenthaltsort in Kenntnis setzen.
Das war doch, was normale Mädchen in meiner Situation machen würden, oder? Sich bei einer Freundin verkriechen, Rotwein trinken, Schokolade essen und dem Mistkerl ein Furunkel an den Schwanz wünschen.
Normal war für mich schon immer schwierig gewesen.
Ich trat an das Fenster des kleinen Kiosks im Erdgeschoss, gegenüber dem Bordell. Während ich in meiner Jackentasche nach dem Handy kramte, schob ich einen Euro für einen Kaffee auf den Tresen.
»Hier trinken«, sagte ich, um mich unauffällig vor Curlys Exarbeitsplatz aufhalten zu können.
Der Kioskonkel musterte nachdenklich mein verheultes Gesicht. Er passte überhaupt nicht zwischen Klatschzeitschriften und Konserven, das war mir beim letzten Kaffee schon aufgefallen. Der Typ war
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