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Tödlicher Mittsommer

Tödlicher Mittsommer

Titel: Tödlicher Mittsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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Farbe, die die grauen Haarsträhnen nicht länger kaschieren konnte. Eine Frau, die versuchte, wie fünfunddreißig auszusehen, die aber in Wirklichkeit fast fünfzehn Jahre älter war.
    Alles erinnerte daran, dass sie zu den Ältesten in ihrem Beruf gehörte, eine Croupière, die die Mutter der anderen Mädchen hätte sein können, die am Roulettetisch standen. Kolleginnen, die laut davon sprachen, dass dies ein Job war, den sie allenfalls ein paar Jahre machen würden. Länger konnte man doch sein Leben nicht an betrunkene Kerle vergeuden, die mehr Geld verspielten, als sie ihren Frauen zu gestehen wagten.
    Es war kein Problem gewesen, das Missionshaus zu finden, das direkt unterhalb des gelben Schulgebäudes lag. Sie hatte kaum fünf Minuten bis dorthin gebraucht, wenn überhaupt. Genau wie das Mädchen im Kiosk gesagt hatte.
    Die Leiterin des Missionshauses hatte immer wieder betont, wie froh Kicki sein könne, eine Unterkunft zu bekommen, ohne vorher reserviert zu haben. Wegen einer kurzfristigen Abbestellung war ein Zimmer frei geworden, sie brauchte also nur einzuchecken.
    Kicki hatte den Schlüssel bekommen und war aufs Zimmer gegangen, das im ersten Stock lag. Es war gemütlich eingerichtet, in einem altmodischen Stil mit Spitzengardinen. Sie hatte die wenigen Sachen ausgepackt, die sie dabeihatte, und sich dann aufs Bett gelegt und versucht, ihre Gedanken zu ordnen. Immer und immer wieder hatte sie sich zurechtgelegt, was sie sagen wollte. Obwohl sie fest entschlossen war, den Schritt zu tun, machte sie der Gedanke an die Begegnung nervös und unruhig.
    Als es Zeit war zu gehen, hatte sie die Leiterin nach dem Weg gefragt, aber die Frau war selbst neu auf der Insel und konnte ihr nicht helfen. Kicki nahm das nicht weiter schwer, sie würde sicher auch von allein hinfinden. So groß war die Insel ja nicht.
    Aber es war nicht so einfach gewesen, wie sie gedacht hatte. Schließlich hatte ihr ein Schulmädchen vor der Bäckerei erklärt, wie sie gehen musste. Da war es bereits drei Uhr.
    Sie hatte an die Haustür geklopft, und nach einer geraumen Weile, als sie beinahe schon aufgeben wollte, wurde die Tür geöffnet. Sie hatte gesagt, wer sie war, und durfte eintreten.
    Es war offensichtlich, dass sie nicht willkommen war, und auch, dass man nicht mit ihrem Erscheinen gerechnet hatte.
    Nachdem sie den Grund ihres Besuchs erklärt hatte, wurde es ganz still. Ihr Gegenüber hatte sie lange Zeit kühl gemustert, bevor der Blick endlich von ihr abließ. Die grauen Augen verrieten keinerlei Reaktion auf ihr Anliegen. Stattdessen breitete sich die Stille aus wie eine schwere Decke, unter der das Atmen mühsam wurde.
    Kicki schluckte ein paarmal und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Einen Moment lang fragte sie sich, ob sie zu weit gegangen war. Die fremde Umgebung machte sie beklommen. Die Einrichtung war absolut nicht nach ihrem Geschmack, es war, als befände sie sich in einer anderen Welt.
    Dann dachte sie an ihren Cousin.
    »Krister ist tot, und ich will meinen Anteil.«
    Sie blickte steif vor sich hin, fest entschlossen, ihre Nervosität und ihr Unbehagen zu verbergen. Sie ballte ihre Fäuste so fest, dass sich die Nägel in die Haut gruben; der Schmerz ließ sie blinzeln, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
    Ihr Gegenüber erhob sich plötzlich. Die hastige Bewegung kam so unerwartet, dass Kicki zusammenzuckte.
    »Nun, deswegen müssen wir wohl nicht gleich einen Krieg anfangen. Lassen Sie uns etwas trinken, dann können wir darüber reden.«
    Kicki Berggren blieb allein im Zimmer zurück. Aus der Küche waren Geräusche zu hören, Schranktüren gingen auf und zu, und Porzellan wurde leise klirrend auf ein Tablett gestellt.
    Sie ließ den Blick durch den Raum wandern, an den ein großes Esszimmer mit einem riesigen Tisch in der Mitte grenzte. Um den Esstisch herum zählte sie ein Dutzend Stühle, und an den Wändenstanden weitere vier. Die Aussicht auf das Meer war fantastisch. Man konnte das Wasser beinahe berühren.
    Als sie aufsah, begegnete sie wieder dem forschenden Blick aus den grauen Augen.
    »Sie trinken doch Tee?«
    Ein randvoller Becher wurde ihr entgegengestreckt.
    »Wollen Sie nicht noch einmal über Ihre Forderung nachdenken?«, sagte die ruhige und beherrschte Stimme. »Bevor es zu spät ist?«

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Kapitel 14
    Das Gesicht, das Thomas aus dem Badezimmerspiegel entgegenstarrte, war müde und erschöpft. Es sah gar nicht nach jemandem aus, der sich in Kürze bei Familie

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