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Tödlicher Mittsommer

Tödlicher Mittsommer

Titel: Tödlicher Mittsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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Tagsüber ging es, aber abends war er völlig erledigt.
    Im letzten halben Jahr hatte er mehr geschlafen als in seinem ganzen bisherigen Leben. Jeden Abend hatte er sich nur noch danach gesehnt, sich hinzulegen und aus seinem Leben wegzudämmern. Es war, als könnte er nicht genug bekommen von der Bewusstlosigkeit.
    Erst im April, als das Licht wiederkam, begann etwas von seiner alten Energie zurückzukehren. Die langen, hellen Frühsommerabende taten ihm gut. Zu seiner Verwunderung fiel ihm das Atmen leichter.
    Aber der Abstand zwischen dem Polizisten, der pflichtbewusst seinen Dienst tat, und dem Privatmenschen Thomas, der nur seine Ruhe wollte, hatte sich nicht verringert.
    Jetzt saß er im Badezimmer und versuchte, Kraft zu sammeln. Das Essen würde bald beginnen. Er erhob sich und schäumte die Rasiercreme auf. Dann lächelte er seinem Spiegelbild verbissen zu und zog den Rasierer entschlossen über die Wange.
    Kicki Berggren ließ den Blick über den Hafen schweifen, der inzwischen halb im Schatten lag. Der fade Nachgeschmack des Tees, den sie bekommen hatte, lag ihr noch auf der Zunge. Nicht einmal eine Tasse Kaffee hatte man ihr angeboten. Nur widerlichen Tee.
    Sie hatte versucht, sich eine Weile auf ihrem Zimmer auszuruhen, aber sie war viel zu aufgedreht, und nach einer Weile gab sie es auf. Sie zog die Jacke an und ging hinunter zum Hafen. Sie brauchte etwas zu trinken. Etwas Starkes. Außerdem konnte es nicht schaden, wennsie etwas aß. Sie war die Treppe hinuntergeschlichen, um der geschäftigen Pensionsleiterin nicht über den Weg zu laufen. Auf deren Geplapper hatte sie im Moment wirklich keine Lust. Sie hatte genug anderes zu bedenken.
    Die Terrasse von »Dykarbaren« – der Taucherbar – sah ganz einladend aus, aber als sie näher kam, sah sie, dass alle Stühle von jungen Leuten besetzt waren. Mädchen mit tief ausgeschnittenen Tops und großen Sonnenbrillen saßen mit Typen in roten Shorts und mit gegelten, zurückgekämmten Haaren zusammen.
    Offensichtlich war Roséwein angesagt, denn auf jedem Tisch stand ein großer Silberkühler mit der Aufschrift: Think pink, drink pink.
    Ihre eigene Meinung über Roséwein beruhte auf Erfahrungen mit Matteus Rosé, einem Wein, der auf jedem Hinterhof getrunken wurde, als sie in die Oberstufe ging. Sie schüttelte sich. Der hatte damals schon nicht geschmeckt und war heute sicher kaum besser. Und verwöhnte, betrunkene Jugendliche hatte sie auf Kos zur Genüge erlebt. Die brauchte sie hier nicht auch noch.
    Sie hielt Ausschau nach einer Alternative.
    Am Ende des Hafens lag »Sandhamns Värdshus«. Das wirkte bedeutend einladender. Sie drehte sich um und ging auf die Treppe zu, die zu dem Teil führte, in dem sich der Pub befand.
    Als sie die Tür öffnete, war zunächst alles völlig dunkel, dann gewöhnten sich ihre Augen daran, und sie sah, dass sie sich in einem großen Raum mit dunklen holzgetäfelten Wänden und gepflegter Atmosphäre befand.
    Hinter der braunen Theke stand ein junger Mann mit langen blonden Haaren, die er zum Pferdeschwanz gebunden hatte, und tippte eine Bestellung in die Registrierkasse. An den langen Tischen saßen vereinzelt Gestalten mit halb vollen Gläsern vor sich. Das Lokal war beinahe leer, aber eine dunkle Kneipe war sicher auch nicht der bevorzugte Ort, den sommerlich gekleidete Touristen bei schönem Wetter aufsuchten.
    Durch das Fenster sah sie eine Schlange von Menschen, die geduldig darauf warteten, einen Tisch auf der Caféterrasse zu bekommen. Aber ihr passte es ausgezeichnet, drinnen zu sitzen. Sie brauchte eine Weile ihre Ruhe. Außerdem wollte sie etwas essen und den ekligen Nachgeschmack im Mund loswerden.
    An der Wand hing eine Tafel, auf der mit Kreide die verschiedenenGerichte aufgeführt waren. Das hörte sich alles gut an, und sie entschied sich für eine Kartoffelpfanne mit Ei und ein großes Starkbier.
    Mit dem Bier in der Hand setzte sie sich in eine Ecke, weit weg von der Theke. Sie zog die Jacke aus und legte sie auf den Nachbarstuhl. Dann kramte sie einen Taschenspiegel und einen Kamm aus der Handtasche und kämmte sich die langen Haare. Sie steckte den Kamm in die Brusttasche ihrer Jacke und holte aus alter Gewohnheit ihre Zigarettenschachtel hervor, bis ihr einfiel, dass man ja in Schweden in den Gaststätten nicht mehr rauchen durfte.
    Aus den Augenwinkeln sah sie, wie ein Mann hereinkam und an der Theke ein Bier bestellte. Nachdem er sein Glas bekommen hatte, steuerte er auf ihren Teil des Raumes

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