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Tödlicher Mittsommer

Tödlicher Mittsommer

Titel: Tödlicher Mittsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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halten, wo man Tische und Stühle aus weiß lackiertem Gusseisen für die Kunden aufgestellt hatte, die ihr Brot gleich aus der Hand essen wollten.
    Die Bäckerei war schon im neunzehnten Jahrhundert vom berühmten Johan Reinhold Sundberg eröffnet worden, Vorsitzender des Allmende-Vereins und ein sehr tatkräftiger Mensch. Damals war die Bäckerei weithin bekannt gewesen für ihren köstlichen Schiffszwieback, mit dem unter anderem die Feuerschiffe beliefert worden waren.
    Henrik war unten am Wasser schwer beschäftigt.
    Zu beiden Seiten des langen Bootsstegs standen hohe Pfähle mit Haken am oberen Ende. Hieran wurden die Netze aufgehängt, und dann schlug man mit geschälten Wacholderruten den Tang und dasSeegras ab, das sich im Netz verfangen hatte. Eine uralte Methode, die im gesamten Schärengarten gebräuchlich war.
    Henrik hatte ungefähr die Hälfte des Netzes geschafft, und der abgeschlagene Tang lag in kleinen Haufen zu seinen Füßen. Er hatte das T-Shirt ausgezogen und stand nur noch in Shorts da. Trotzdem lief ihm der Schweiß den Rücken hinunter.
    Adam rannte zu seinem Papa, um mitzuhelfen. Henrik nahm ihn oft mit hinaus, wenn er die Netze auswarf, und ließ ihn das Boot ein Stückchen steuern. Adam liebte es, seinen Vater zu begleiten, und Henrik ließ sich nie lange bitten.
    Vor dem Bootssteg war ein kleiner Platz, der zu Henriks und Noras Haus gehörte. Er war nicht groß, aber es reichte für ein Gartensofa, zwei Stühle und einen Tisch, sodass man unten am Wasser sitzen konnte.
    Am Steg lag das Boot der Familie, ein Außenborder mit dem Namen »Snurran«. Er war gut drei Meter lang und leistete ihnen schon viele Jahre treue Dienste. Das Boot war gerade groß genug, um zum Schwimmen zu den Klippen hinauszufahren oder zur Not auch jemanden von Stavsnäs abzuholen, wenn er die letzte Fähre verpasst hatte.
    »Kaffeepause!«, rief Nora Henrik zu.
    Sie setzte sich an den Tisch und begann, Kaffeetassen und Brötchen aufzudecken. Die Jungs bekamen Saft in bunten Plastikbechern.
    Ohne dass sie es wollte, schweiften ihre Gedanken zu dem Anruf ab, den sie am Vortag erhalten hatte. Sie hatte am Beckenrand gestanden und auf das Ende von Simons Schwimmunterricht gewartet, als ihr Handy klingelte.
    Der Personaldirektor der Bank hatte mit ihr sprechen wollen. Bei der jüngsten Umstrukturierung hatte man das Geldinstitut in vier Regionalbereiche aufgeteilt: Nord, Süd, Mitte und West. Jede Region sollte ihren eigenen Justiziar bekommen, der direkt der Regionaldirektion unterstand.
    Ob Nora interessiert sei, Leiterin der Rechtsabteilung für den Regionalbereich Süd zu werden?
    Die Niederlassung befand sich in Malmö, sie müsste also bereit sein umzuziehen. Aber sie würde deutlich mehr Gehalt bekommen, und außerdem wäre es innerhalb der Bank ein beträchtlicher Karrieresprung.
    Nora war gleichermaßen geschmeichelt wie neugierig. Das hörte sich nach einem spannenden Job an. Außerdem bedeutete es, dass sie einen anderen Vorgesetzten bekommen würde, und das war eine Veränderung, die sie schon lange herbeigesehnt hatte.
    Sie fühlte sich eigentlich ganz wohl an ihrem Arbeitsplatz, aber ihren Chef, der in ihren Augen völlig inkompetent war, hatte sie gründlich satt.
    Er war in ungewöhnlich jungen Jahren Leiter der Rechtsabteilung der Bank geworden, nachdem der bisherige Chefjustiziar völlig unerwartet zur Konkurrenz gewechselt war. Ragnar Wallsten war ein nonchalanter und überheblicher Mensch, der oft und gerne schlecht über die Kollegen sprach, natürlich immer hinter deren Rücken.
    Während sie und die anderen Juristen der Abteilung unter der Arbeitsbelastung stöhnten, saß er hinter verschlossener Tür und las Dagens Industri . Da sein Zimmer gläserne Wände hatte, war nicht schwer zu erkennen, was er dort trieb. Nora war auf Umwegen zu Ohren gekommen, dass er in eine sehr bekannte Finanzfamilie eingeheiratet hatte. Das mochte vielleicht seine Minderwertigkeitskomplexe erklären, aber es war noch lange keine Entschuldigung für seine erbärmlichen Führungsqualitäten.
    Wie eine solche Person eine so hohe leitende Funktion in einer so großen Bank innehaben konnte, war ihr ein Rätsel. Unbegreiflich, dass niemand seine Unfähigkeit bemerkte.
    Die Vorstellung, in Ragnar Wallstens Zimmer zu marschieren und ihm ins Gesicht zu sagen, dass sie befördert worden war und er ihr nichts mehr zu befehlen hatte, war deshalb sehr verlockend.
    Der Personaldirektor hatte ihr erzählt, dass eine externe

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