Tödlicher Mittsommer
ständiges Drängen, ihn um Himmels willen auch ja mit allen neuen Erkenntnissen zu versorgen, waren beim Alten gar nicht gut angekommen.
Am Ende meckerte er schon los, sobald das Telefon klingelte.
Drei ungeklärte Todesfälle mitten in der Hochsaison waren eine Katastrophe. Die Touristenströme nach Sandhamn hatten deutlich abgenommen, weshalb die Vereinigung der Geschäftsleute von Sandhamn bereits bei der Kommunalverwaltung und beim Landespolizeidirektor vorstellig geworden war. Das Problem musste so schnell wie möglich aus der Welt.
Mit jeder Fahrt brachten die Waxholmfähren weniger Besucher auf die Insel, als es für die Hochsaison normal war.
Der Gemeinderatsvorsitzende der Kommune Värmdö hatte eigens eine Pressekonferenz einberufen, um seine Sicht der Dinge zu schildern. Sie bestand im Wesentlichen aus einer selbst gestrickten Verschwörungstheorie über Mafia-Einflüsse aus Osteuropa.
Das hatte die Ermittlungen keinen Schritt weitergebracht.
Stattdessen war die Verwirrung nun noch größer. Die Medien nutzten die Gelegenheit und begannen wild zu spekulieren und sich die abenteuerlichsten Theorien auszudenken.
»Erinnert mich bloß daran, dass ich bei der nächsten Kommunalwahl auf keinen Fall für diesen Blödmann stimme«, hatte der Alte, der auf Ingmarö wohnte, wütend geknurrt, bevor er die Tageszeitung, in der besagter Gemeinderatsvorsitzende seine zweifelhaften Analysen unters Volk brachte, in den Papierkorb pfefferte.
Der Alte war außerdem vom Vorsitzenden des KSSS angerufenworden, einem bekannten Geschäftsmann, der gebieterisch verlangt hatte, über alle Erkenntnisse und Ermittlungsfortschritte auf dem Laufenden gehalten zu werden.
Der Vorsitzende hatte betont, wie wichtig es für Sandhamns guten Ruf als Segelmetropole sei, dass die Vorfälle schnellstmöglich aufgeklärt würden. Er hatte auf die lange Tradition der Segelregatten von Sandhamn hingewiesen und auch nicht vergessen, die Jugendcamps auf Lökholmen zu erwähnen, in denen Kinder aus ganz Stockholm ihre Sommerferien verbrachten. Inzwischen häuften sich die Anrufe von besorgten Eltern, die ihre Sprösslinge nicht mehr auf die Insel schicken wollten.
»Die Situation ist höchst bedauerlich«, unterstrich der Vorsitzende. Es sei ungemein wichtig, dass die Polizei den Ernst der Lage erkenne und ihr Bestes gebe. Der KSSS habe die Angelegenheit sogar zum Tagesordnungspunkt seiner letzten Sitzung gemacht, und es sei im Protokoll festgehalten worden, dass die Polizei den Täter schnellstens dingfest zu machen habe.
Der Alte hatte sich mächtig zusammenreißen müssen, um während des Telefonats nicht ausfällig zu werden. Er war mehrere Male dicht davor gewesen, die Beherrschung zu verlieren, und seine übliche hochrote Gesichtsfarbe hatte bedenklich ins Pflaumenlila gespielt.
Verbissen hatte er versichert, dass die Polizei sich des Ernstes der Lage durchaus bewusst sei. Alle verfügbaren Kräfte, inklusive einer Person mit hervorragenden Ortskenntnissen, seien auf den Fall angesetzt. Es stehe außer Frage, dass die Ermittlungen allerhöchste Priorität besäßen.
Aber als der KSSS – Vorsitzende auch noch verlangte, täglich über die Fortschritte der Ermittlungen unterrichtet zu werden, platzte dem Alten der Kragen.
»Ich habe eine Mordermittlung zu leiten, ich bin keine Auskunftei! Sie sind nicht der Einzige, der Informationen verlangt, die ich nicht habe!«, bellte er ins Telefon.
»Na, na, guter Mann«, sagte der Vorsitzende. »Nun regen wir uns mal nicht gleich auf. Wichtig ist, dass wir eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Polizei und KSSS pflegen. Laut zu werden, bringt ja wohl niemanden weiter.«
Der Alte wäre beinahe explodiert.
»Wie ich neulich zu meinem guten Freund, dem Reichspolizeichef,sagte«, fuhr der Vorsitzende ungerührt fort, »habe ich größtes Vertrauen in die Ermittlungsarbeit der Polizei. Aber ich möchte natürlich laufend über den Stand der Dinge informiert werden. In meiner Position darf ich das wohl erwarten. Das werden Sie sicher verstehen, nicht wahr?«
Die Gesichtsfarbe des Alten wechselte von Pflaumenlila zu Dunkelpurpur.
»Zögern Sie nicht, mich anzurufen, sobald Sie einen Durchbruch erzielt haben. Ich bin immer über das Sekretariat des KSSS zu erreichen. Bitte scheuen Sie sich nicht, mich auch zu später Stunde zu stören, falls es etwas Wichtiges gibt.«
Der Telefonhörer verschwand beinahe in der Faust des Alten.
Mit Mühe verkniff er sich eine bissige Antwort und
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