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Tödlicher Mittsommer

Tödlicher Mittsommer

Titel: Tödlicher Mittsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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Finger auf die Karte.
    »Halt mal an, ich will dir was zeigen.«
    »Was?«
    »Halt an. Du kannst nicht gleichzeitig fahren und gucken. Du bist Polizist. Und Polizisten halten sich an die Straßenverkehrsordnung.«
    Thomas warf ihr einen missmutigen Blick zu, gab aber nach und fuhr an der nächsten Bushaltestelle rechts ran. Wenn Margit sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war Gegenwehr zwecklos.
    »Was hast du denn entdeckt?«
    »Schau auf die Karte«, erwiderte Margit.
    Sie hielt ihm die aufgeschlagene Seite hin. Der Kartenausschnitt zeigte den Teil Stockholms, in dem die Straße Skeppsbron mit dem Skeppsbrokajen lag.
    »Wenn man den Kai entlanggeht, wohin kommt man dann?«
    Thomas dachte nach. Er sah das Grand Hôtel vor sich, den Schärengürtel und den Skeppsbrokajen. Wenn man den Kai bis zum Ende ging, wo landete man dann?
    »Gamla stan? Slussen?«
    Er zuckte mit den Schultern und sah Margit an.
    Sie erwiderte seinen Blick ungeduldig.
    »Weiter. Du bist doch Stockholmer, oder? Hast du keine Ortskenntnis? Wenn du an Slussen vorbei am Wasser entlanggehst, wohin kommst du dann?«
    »Zum Stadsgården, unterhalb der Fjällgatan.«
    »Genau. Und was ist da?«
    Plötzlich fiel der Groschen.
    »Meinst du den Terminal der Finnlandfähren?«
    »Bingo, Einstein!«
    Thomas grinste verlegen und schüttelte den Kopf. Auf die Idee hätte er auch selbst kommen können. Margit war ganz schön schlau.
    »Wenn man auf der Flucht vor dem Gesetz ist, oder meinetwegen vor einem wütenden Auftraggeber, und für eine Weile untertauchen will, und wenn man nicht der Typ ist, der sich per Flugzeug nach Brasilien absetzt, wohin fährt man dann?«
    »Nach Finnland, mit der Finnlandfähre.«
    Thomas hätte sich ohrfeigen können. Die Erklärung war so einfach.
    »Und angenommen, jemand ist hinter dir her und stößt dich über Bord, wenn du einen letzten Blick zurück auf Sandhamn werfen willst«, fuhr Margit fort, »wie siehst du dann wohl anschließend aus?«
    »Man hat Prellungen und Knochenbrüche, die bei der Obduktion entdeckt werden.«
    »Exakt. Wenn man vom Oberdeck der Finnlandfähre fällt, ist das ungefähr so, als würde man aus dem fünften Stock springen. Aus großer Höhe ist die Wasseroberfläche hart wie Beton.«
    Thomas nickte.
    »Und wo würde man deine Leiche wohl höchstwahrscheinlich finden?«, fragte Margit.
    Die Frage war rein rhetorisch, das war Thomas klar, aber er antwortete trotzdem.
    »Tage später am Trouvillestrand.«
    »Völlig richtig.«
    »Wir müssen mit dem Personal des Abgangsterminals am Stadsgården sprechen. Und die Passagierlisten durchgehen für den Zeitraum zwischen Sonntag, als Almhult in die Stadt gefahren ist, und Donnerstag, als er gefunden wurde.«
    »Völlig richtig.«
    »Vermutlich wissen wir jetzt, wie Jonny Almhult ums Leben gekommen ist.«
    »Völlig richtig.«
    Ein triumphierender Ausdruck lag auf Margits Gesicht, als sie sich in den warmen Sitz zurücksinken ließ.
    Thomas kam sich vor wie ein Schuljunge, dem die Hausaufgaben abgehört wurden.

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Kapitel 46
Dienstag, vierte Woche
Kapitel 46
    Dicker Nebel hing über dem Sandhamnshålet.
    Vom Festland aus gesehen bildete der Sund zwischen Telegrafholmen im Norden und Sandön im Süden die natürliche Einfahrt nach Sandhamn. Er war extrem tief, an seiner schmalsten Stelle jedoch nur knapp sechzig Meter breit. Er bot kaum Platz für all die Schiffe, die ihn im Laufe eines Tages durchquerten.
    Im Laufe der Nacht waren dicke Nebelschwaden hereingezogen und hatte den schönen Abendhimmel vom Vortag in eine graue Suppe verwandelt. Als Nora am Morgen erwachte, hörte sie in der Ferne das Signalhorn des Leuchtfeuers Revengegrundet, ein sicheres Zeichen für Nebel. Sein klagendes Tuten war für die Seeleute eine zuverlässige Navigationshilfe. Jeder Leuchtturm tutete nämlich als Kennung den ersten Buchstaben seines Namens nach dem Morsealphabet, A für Almagrundet, R für Revengegrundet und so weiter, um auf diese Art jenen Schiffen, die die Orientierung verloren hatten, den richtigen Weg durch den Nebel zu weisen.
    Nora hatte sich vor vielen Jahren eines Abends im Nebel vor Sandhamn verirrt und seitdem großen Respekt vor dem Wetter. Damals war sie mit dem Boot unterwegs nach Skanskobb gewesen, einer kleinen Insel direkt gegenüber dem Trouvillekai, die als Zielmarke für Segelregatten diente. Sie lag nur wenige Distanzminuten vom Hafen des KSSS entfernt. Nora sollte dort ein paar Stunden am Zieleinlauf von »Gotland Runt« aushelfen,

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