Tödlicher Mittsommer
Autobahn Richtung Stavsnäs. Als sie sich dem Strömma-Kanal näherten, klingelte sein Handy. Er schaltete auf Lautsprecher, und Kalles Stimme erfüllte den Wagen. Er hatte neue Informationen zu dem Rattengift, das Kicki Berggren getötet hatte.
»Ich habe endlich einen Mitarbeiter von Anticimex erreicht. Im Krankenhaus von Huddinge wollte sich keiner dazu äußern, ganz egal, wie viele Leute ich angerufen habe. Alle haben mich an einen Typen verwiesen, der klinischer Pharmakologe ist, oder wie sich das nennt, aber der macht natürlich Urlaub im Ausland und geht nicht an sein Handy.«
»Was sagt der Typ bei Anticimex?«, unterbrach Margit ihn.
»Er konnte sich nicht recht vorstellen, dass jemand durch Warfarin zu Tode kommt. Er sagt, wer Rattengift isst, muss entweder blind oder von einer ungewöhnlich starken Todessehnsucht besessen sein. Das Zeug besteht aus ziemlich großen Weizenkörnern, die in der Regel blau oder grün eingefärbt sind, um sie als gefährlich zu kennzeichnen.«
Margit beugte sich zu dem Handy vor, das direkt unter der Windschutzscheibe in einer Halterung steckte.
»Was hat er noch gesagt?«
»Die tödliche Menge entspricht in etwa einer kompletten Mittagsmahlzeit. Für eine lebensgefährliche Vergiftung ist also eine hohe Dosis nötig.«
»Eher unwahrscheinlich, dass jemand so viel davon zu sich nehmen kann, ohne etwas zu merken«, murmelte Thomas Richtung Telefon.
»Genau«, sagte Kalle. »Außerdem wirkt das Mittel normalerweise erst ein paar Tage später, laut Anticimex. Der Grund ist, dass die Ratten sich vom Haus entfernen und nicht schon im Keller krepieren sollen. Damit die Leute keine verwesenden Rattenleichen im Keller vorfinden.«
Margit sah Thomas prüfend an, während sie über die Information nachdachte.
»Ich vermute mal, damit können wir die Möglichkeit ausschließen, dass Kicki Berggren versucht hat, sich mit Rattengift umzubringen«, sagte sie. »Wenn jemand Selbstmord begehen will, gibt es wohl mindestens zwanzig andere Methoden, die schneller und einfacher zum Ziel führen. Eine ordentliche Dosis Schlaftabletten in Kombination mit einer Flasche Whisky erledigt so etwas im Handumdrehen.«
Sie stieß ein zynisches kleines Lachen aus. Galgenhumor war eine berufsbedingte Art und Weise, mit unangenehmen Dingen fertig zu werden.
Thomas wechselte abrupt das Thema.
»Kalle, kannst du mal nachsehen, welche Berufe die Grundstückseigentümer auf Sandhamn ausüben? Ich habe das in der Eile vergessen.«
»Warte eine Sekunde.«
Papiergeraschel drang aus dem Handy, als Kalle seine Akten durchblätterte.
»Hier ist es. Pieter Graaf arbeitet als IT – Berater. Philip Fahlén hat eine eigene Firma, die Ausstattungen für Großküchen vertreibt.«
Margit stieß einen Pfiff aus.
»Großküchen, das bedeutet Restaurants. Ich frage mich, ob dieser Fahlén vielleicht noch etwas anderes als Küchenausstattungen an seine Kunden liefert?« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Höchste Zeit, dass wir uns diese beiden Herren mal vorknöpfen.«
Eine knappe Dreiviertelstunde später erreichten sie die Dampfschiffbrücke in Sandhamn. Hin und wieder gingen Direktfährenvon Stavnäs nach Sandhamn, die für die Fahrt kaum fünfunddreißig Minuten brauchten. Aber sie hatten eine erwischt, die offenbar jeden Landungssteg im südlichen Schärengarten anlaufen musste.
Doch nun lag das Hafengelände vor ihnen.
Thomas und Margit warteten geduldig in der Schlange aus Familien mit Kindern und Touristen. Nachdem sie ihr Fährticket beim Personal an der Gangway abgegeben hatten, konnten sie endlich von Bord gehen.
Auf dem Kai standen Urlauber, die die Ankommenden begrüßten. Ein paar Jugendliche lümmelten auf ihren Fahrrädern und aßen Eis. Drüben am Kiosk standen mehrere Leute und blätterten die Abendzeitungen durch. Aus dem Augenwinkel konnte Thomas sehen, dass einige der Schlagzeilen immer noch von den Morden auf Sandhamn handelten. Trotzdem wirkte der Hafen nicht viel anders als sonst auch.
Es war nur nicht so viel Betrieb. Und man sah weniger Boote.
Sie machten sich auf den Weg zum Westteil der Insel. Dort lagen die beiden Häuser, mit deren Besitzern sie sprechen wollten. Als Thomas einen Blick auf die Flurkarte geworfen hatte, wusste er sofort, um welche Häuser es sich handelte.
Sie nahmen die Gasse südlich vom Strindbergsgården, die ins Zentrum und durch den alten Dorfkern führte. Unterwegs kamen sie an einem kleinen falunroten Haus vorbei, das Thomas an ein
Weitere Kostenlose Bücher