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Tödlicher Mittsommer

Tödlicher Mittsommer

Titel: Tödlicher Mittsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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älterer Häuser, das man von anderen Inseln hierhergeschafft hatte.
    Etwas Friedvolles ging von diesem Platz aus, der gleich hinter dem Badestrand von Fläskberget lag. Die Gräber waren in Sand eingebettet, dessen Oberfläche mit Kiefernnadeln und – zapfen bedeckt war. Hier und da zogen sich knorrige Baumwurzeln durch den Sand wie ein unregelmäßiges, zufälliges Muster, ein verzerrtes Schachbrett.
    Ein schöner Goldregen wuchs neben dem unscheinbaren Grab des alten Leuchtturmwärters Avén, der Ende des neunzehnten Jahrhunderts für das Leuchtfeuer auf Korsö verantwortlich gewesen war. Man erzählte sich, Avén sei ein richtiger Blumennarr gewesen, der eine Blumenpracht ohnegleichen auf Korsö geschaffen hatte. Rosensträucher und Rabatten, wohin das Auge blickte.
    Nora ging langsam von Grab zu Grab. Sie liebte die Atmosphäre auf dem Friedhof und das Gefühl innerer Ruhe, das sich hier einstellte.
    In der oberen linken Ecke hatte man eine Gedenkstätte für die Toten angelegt, die kein eigenes Grab bekommen hatten. Eine solide schwarze schmiedeeiserne Kette fasste den Platz ein. Neben dem großen Anker im Sand standen frische Blumen und ein paar Grablichter. Einen Moment lang fragte Nora sich, wer sie wohl dahin gestellt hatte. Vielleicht eine freundliche Seele, die an die arme Kicki Berggren dachte, die kürzlich ihr Leben auf Sandhamn verloren hatte. Oder vielleicht auch jemand von den Einheimischen, der einen lange verschollenen Angehörigen ehren wollte.
    Am Grab der Familie Brand blieb Nora stehen. Hier ruhten alle Mitglieder von Signes Familie, die seit Gründung des Friedhofs gestorben waren. Der Letzte, dessen Namen man in den großen Grabstein gemeißelt hatte, war Helge Brand, Signes Bruder. Er war Anfang der Neunzigerjahre an Krebs gestorben.
    Nora erinnerte sich nicht besonders gut an Helge. Er war früh zur See gegangen und hatte viele Jahre im Ausland verbracht. Als er zurück nach Sandhamn kam, war er schon von der Krankheit gezeichnet, die ihn das Leben kostete. Signe hatte ihn in ihrem gemeinsamen Elternhaus bis zum Schluss gepflegt. Sie hatte sich geweigert, ihn in ein Krankenhaus zu bringen, und hartnäckig darauf bestanden, dass sie ihn besser versorgen könne als irgendein fremdes Krankenhauspersonal.
    Nora beugte den Kopf vor dem Grabstein, als Zeichen des Respekts, und ging in Gedanken versunken weiter.
    Wie unberechenbar das Leben doch sein konnte. Eben noch draußen auf den sieben Weltmeeren, im nächsten Moment krank und todgeweiht. Helge Brand kam zurück nach Sandhamn, als sein Leben sich dem Ende zuneigte. Kicki Berggren war kaum auf der Insel angekommen, als sie auch schon starb. Krister Berggren war bereits tot, als er hierherkam. Keiner von ihnen hatte geahnt, wie wenig Zeit ihnen noch blieb.
    Hätten sie andere Entscheidungen getroffen, wenn sie gewusst hätten, was sie erwartete?, dachte Nora. Hätten sie andere Prioritäten in ihrem Leben gesetzt, wenn sie geahnt hätten, wie schnell ihre Zeit vorbei sein würde?
    In einem eisigen Moment der Klarheit erkannte Nora, dass sie nicht bereit war, Kompromisse einzugehen, nur um Henrik zu besänftigen.
    Die Kränkung, dass über ihre eigenen Wünsche so leichtfertig hinweggegangen wurde, nagte an ihr. Der Ärger darüber, dass man sie nicht ernst nahm, saß wie ein harter Klumpen in ihrer Brust. Noch nie zuvor war so deutlich geworden, was wirklich zählte.
    Tief in Gedanken stolperte sie über eine Baumwurzel, die aus dem Sand ragte, und wäre beinahe hingefallen. Der Nebel war wieder dichter geworden, sie konnte die winzigen Regentröpfchen auf der Zunge spüren. Sie beschloss, die Schwimmschule heute ausfallen zu lassen. Bei einem solchen Wetter sollten die Jungs ruhig einmal richtig ausschlafen.

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Kapitel 47
    Margit und Thomas gingen über den Parkplatz der Polizeiwache, um nach Stavsnäs zu fahren, wo sie die Vormittagsfähre nach Sandhamn nehmen wollten. Obwohl es erst halb zehn war, hatte die brütende Sonne den Volvo in eine Art finnische Sauna verwandelt. Mörderische Hitze schlug ihnen entgegen, als sie die Wagentüren öffneten.
    Thomas steckte den Schlüssel ins Zündschloss und startete den Motor. Während er den Rückwärtsgang einlegte, sah er Margit von der Seite an.
    »Erinnerst du dich, was diese Grundstückseigentümer auf Sandhamn beruflich machen? Ich wollte nachsehen, aber irgendwas ist mir dazwischengekommen.«
    »Keine Ahnung. Das hätte ich natürlich überprüfen müssen.«
    Thomas bog auf die

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