Tödlicher Mittsommer
Wahrscheinlich wurde der Bottich mit Meerwasser gefüllt. Ein rechteckiges Holztablett mit drei Gläsern und einer Flasche Whisky schwamm auf der Wasseroberfläche. Offenbar machte der Besitzer sich keine Sorgen, dass fremde Besucher ihm seinen Alkohol wegtrinken könnten.
Margits Blick war halb fasziniert, halb erschrocken angesichts des bequemen Lebens, das sich vor ihren Augen eröffnete.
»Ich möchte mal wissen, was man auf der hohen Kante haben muss, um sich so was hier leisten zu können. Sieht nicht gerade billig aus. Entweder muss man Lottomillionär sein oder wenigstens eine eigene Firma haben. Was meinst du?«
»Eigene Firma. Viele der Sachen hier sind bestimmt auf Firmenkosten gekauft worden«, sagte Thomas. »Aber auf den Rechnungen tauchen sie natürlich als ›Büromöbel‹ oder Ähnliches auf, bestimmt nicht als ›Badebottich für Landsitz‹.«
Margit lachte gequält.
»Das hängt natürlich davon ab, wie robust das eigene Gewissen ist.« Thomas zwinkerte ihr ironisch zu. »Aber sicher ist nicht alles hier auf Kosten des Steuerzahlers angeschafft worden. Das kann ich mir nicht vorstellen.«
Margit blickte sich um. Auf dem ganzen Grundstück war kein Lebenszeichen zu entdecken.
»Was machen wir jetzt?«, fragte sie. »Anscheinend ist niemand zu Hause, und es kann dauern, bis Familie Fahlén auftaucht.«
»Falls sie draußen auf dem Meer sind, kommen sie sicher bald zurück. Wenn sie über Nacht draußen bleiben wollten, hätten sie wahrscheinlich ihren Bayliner genommen. Sie sind bestimmt mit einem kleineren Boot unterwegs.« Er zeigte auf ein paar Taue, die lose auf dem Landungssteg lagen. Sie schienen zu einem weiteren Boot zu gehören. »Einem, von dem man Netze auswerfen kann«, fügte er mehr zu sich selbst hinzu.
»Willst du auf sie warten?«, fragte Margit.
»Wir können später noch mal wiederkommen. Ich würde ungern anrufen und sie vorwarnen. Besser, man stellt diese Art von Fragen unangemeldet.«
Er sah auf die Uhr. Wenn Fahlén draußen auf dem Meer war, würde es sicher einige Stunden dauern, bis er zurückkam.
»Lass uns was essen gehen, und danach können wir Nora besuchen und die Wartezeit überbrücken. Ich fände es schade, einfach aufzugeben, wo wir schon mal hier sind.«
Während er Richtung Gartenzaun ging, drehte er sich um und lächelte Margit an.
»Außerdem lernst du dann gleich mal meinen Patensohn kennen.«
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Kapitel 50
»Thomas!«
Simon schlüpfte wieselflink durch die Gartenpforte und warf sich in Thomas’ Arme.
»Hast du mir was mitgebracht?«
Er sah Thomas erwartungsvoll mit seinen wachen Eichhörnchenaugen an.
»Aber Simon, so etwas fragt man nicht.« Nora sah ihren Sohn mahnend an. »Es ist doch toll, dass Thomas zu Besuch kommt, ob mit oder ohne Geschenk. Oder?«
Thomas stellte Margit vor und nahm dankbar das Angebot eines kalten Biers für jeden von ihnen an, am liebsten Leichtbier, schließlich waren sie ja im Dienst.
Sie setzten sich in den Garten und genossen den Rosenduft, der von Signes Garten nebenan hereinwehte. Die Schwalben flogen hoch, ein sicheres Zeichen für schönes Wetter.
»Wie kommt ihr mit den Ermittlungen voran?«, fragte Henrik, während er das Bier in die Gläser schenkte.
Nora schüttete Chips in eine Schüssel und stellte sie auf den Tisch. Noch bevor sie ihn ermahnen konnte, hatte Simon schon zugelangt und sich eine große Handvoll gesichert. Er lachte verschmitzt übers ganze Gesicht, sodass man die Lücke in der unteren Zahnreihe sah. Es war unmöglich, nicht zurückzulachen.
Thomas sah Margit an, die eine kleine Grimasse schnitt.
»Das kommt ganz darauf an, wie man es sieht«, sagte er. »Wir wissen, woran Kicki Berggren gestorben ist, aber nicht, wie und warum.«
»Und was hat sie umgebracht?«, fragte Henrik neugierig.
»Rattengift.«
Thomas’ Antwort klang dramatischer als beabsichtigt, und der Effekt war durchschlagend. Nora und Henrik sahen ihn verblüfft an.
»Ich hätte nicht gedacht, dass man einen Menschen mit Rattengift töten kann«, sagte Henrik nachdenklich.
»Die meisten Menschen kann man mit jeder Art von Gift töten, wenn sie genug davon zu sich nehmen«, erwiderte Thomas.
Henrik runzelte die Stirn.
»Wenn ich mich recht erinnere, hatten wir während meiner medizinischen Ausbildung ein paar Fälle, wo Leute versucht haben, sich mit Rattengift oder Warfarin umzubringen, aber das war nicht besonders erfolgreich. Nur quälend. Man muss eine sehr hohe Dosis einnehmen, damit es tödlich
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