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Tödlicher Ruhm

Tödlicher Ruhm

Titel: Tödlicher Ruhm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Elton
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Farben und Dimensionen genau gleich. So bekam Coleridge ein Gefühl dafür.
    Er fluchte über sich selbst. In diesem Haus war ihm, als wäre er selbst schon einer der Bewohner. Auf einmal gab es keinerlei brauchbare Gedanken in seinem Kopf, nur Gefühle.
    Gefühle, dachte Coleridge. Der modus operandi einer ganzen Generation. Man muss nicht mehr denken oder auch nur glauben. Man muss nur noch fühlen.
    Wie das echte Haus bestand auch dessen Kopie, die in einer leeren Halle der Shepperton Film Studios stand, aus zwei Gemeinschaftsschlafzimmern, einer Dusche, einem Badezimmer mit stählernem Trog, in dem man Wäsche waschen konnte, einer Toilette, einem offenen Wohn-Küchen-und-Ess-Bereich, einer Abstellkammer sowie einem kleinen Raum, dem »Beichtstuhl«, den die Bewohner betraten, wenn sie mit Peeping Tom sprechen wollten.
    An den Seiten, die nicht zum Garten führten, war das Haus von drei dunklen Korridoren umgeben, in denen bemannte Kameras hin und her fuhren und die Kandidaten durch riesige Spiegel ausspionierten, die fast die ganze Wand einnahmen. Gemeinsam mit den ferngesteuerten »Hotheads« im Inneren des Hauses sorgten diese Kameras dafür, dass es keinen einzigen Quadratzentimeter gab, in dem man sich der Beobachtung entziehen konnte. Der einzige Raum, der sich nicht im Blick der manuellen Kameras befand, war die Toilette. Selbst Peeping Toms manischer Voyeurismus hatte davor Halt gemacht, Kameramänner vierzig Zentimeter vor den Bewohnern zu postieren, während diese ihren Darm entleerten. Allerdings mussten die Dienst tuenden Redakteure doch zusehen, da sich auch in der Toilette ein Hothead befand, dem absolut nichts entging. Und zuhören mussten sie ebenfalls, denn die Kabine war mit einem Mikrofon ausgestattet.
    Coleridge dachte an den Slogan, mit dem man schon vor Beginn der Sendung die gesamte Stadt plakatiert hatte. »Es gibt kein Entrinnen« hatte dort gestanden. Für einen der Bewohner hatte sich der Spruch als grausam prophetisch erwiesen.
    Der gesamte Haus- und Gartenkomplex war von einem Wassergraben und doppeltem Natodraht umgeben, an dem Sicherheitsbeamte patrouillierten. Der Monitorbunker, in dem das Produktionsteam arbeitete, lag fünfzig Meter hinter dem Zaun und war mit den Kameragängen über einen Tunnel verbunden, der unterhalb des Wassergrabens verlief. Durch diesen Tunnel waren Geraldine und die Nachtcrew gelaufen, nachdem sie auf ihren Monitoren einen Mord beobachtet hatten.
    Der Mord.
    Er nagte an Coleridge.
    Zum x-ten Mal lief er über die Kopie des Bodens, über den das Opfer gelaufen und über den ihm sein Mörder kurz darauf gefolgt war. Dann stand er im Kameragang, sah in den Raum, so wie es auch der Kameramann in der Mordnacht getan hatte. Er kehrte in den Wohnbereich zurück und zog in der Küche eine Schublade auf, die oberste, die auch der Mörder aufgezogen hatte. In der Schublade, die Coleridge aufzog, lagen keine Messer. Das Haus war nur eine Probebühne.
    Fast drei Stunden wanderte Coleridge in dem seltsamen, deprimierenden Nachbau herum, doch wollte ihm dieser nichts darüber verraten, was in den kurzen Augenblicken der Gewalt geschehen war. Zumindest nichts, was er nicht schon wusste. Er fragte sich, wie er den Mord begangen hätte, wenn er der Mörder gewesen wäre. Die Antwort lautete: genauso wie der Mörder. Nur so konnte es gehen, wenn man davonkommen wollte. Der Mörder hatte seine Gelegenheit erkannt, anonym zu bleiben, und sie ergriffen.
    Das war doch wenigstens etwas, sagte sich Coleridge. Die Schnelligkeit, mit welcher der Mörder seine Chance ergriffen hatte, bewies, dass er gewartet, dass er gelauert hatte. Er oder sie hatte töten wollen.
    Was um alles in der Welt hatte solchen Hass erzeugt? Ohne einen Beweis für das Gegenteil musste Coleridge davon ausgehen, dass sich diese Leute noch vor weniger als einem Monat nicht gekannt hatten. Mit seinem Team hatte er den Background sämtlicher Bewohner überprüft, doch bisher nicht den kleinsten Hinweis darauf gefunden, dass sie sich gekannt hatten, bevor sie ins Haus kamen.
    Warum also sollte jemand einen Fremden ermorden wollen?
    Weil sie einander nicht mehr fremd waren. Irgendetwas musste in diesen drei Wochen geschehen oder gesagt worden sein, das einen Mord unausweichlich machte. Aber was? Natürlich waren im Haus ein paar entsetzliche Dinge vorgefallen, nur hatte man nichts beobachtet, was auch nur im Entferntesten ein Motiv für ein solches Verbrechen geliefert hätte.
    Ließ es sich wirklich

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