Tödlicher Ruhm
liebe ich diese Leute. Sie sind mein Haufen. Meine Clique.«
Weit hinten im Dunkel des Schneideraums funkelte Geraldine Fogarty böse an. »Und das willst du sie dann auch sagen lassen, ja?«
Bob versteckte sich hinter seinem Styroporbecher. »Na ja, das hat sie nun mal gesagt, Geraldine.«
Geraldines Augen blitzten auf, ihre Nasenwände bebten, und sie legte ihren kolossalen Überbiss frei. Es war, als wäre eben ein Alien aus John Hurts Bauch hervorgebrochen.
»Du blöder Pisser! Du blöder, fauler Pisser! Jeder Affe könnte senden, was sie wirklich gesagt hat! Jeder nervige, picklige, nutzlose, sitzen gebliebene Scheißpraktikant könnte senden, was sie wirklich gesagt hat! Ich bezahl dich dafür, dass du dir ansiehst, was sie wirklich gesagt hat, und etwas suchst, was wir von ihr hören wollen, du Pisser!«
Fogarty warf einen mitfühlenden Blick auf die jüngeren Mitarbeiter des Teams, die sich noch eher beeindrucken ließen.
»Wer ist Kelly, Bob?«, fuhr Geraldine mit einer wegwerfenden Handbewegung in Richtung des erstarrten Abbilds der hübschen jungen Brünetten auf dem Bildschirm fort. »Wer ist dieses Mädchen?«
Fogarty starrte den Fernseher an, aus dem ihm ein süßes Lächeln entgegenstrahlte; ein offenes, ehrliches, naives Gesicht. »Na ja...«
»Sie ist unser Biest, Bob, sie ist unsere Manipulatorin. Wir haben sie zu einer unserer Hassfiguren ernannt! Erinnerst du dich an die Gespräche beim Casting? Kess und ehrgeizig? Das ganze unschuldige Höschenzeigen? Der ganze Girl-Power-Quatsch ? Weißt du noch, was ich gesagt habe, Bob?«
Fogarty erinnerte sich, aber Geraldine erzählte es ihm trotzdem noch einmal.
»Ich habe gesagt: >Okay, du arrogante kleine Schlampe, wollen wir doch mal sehen, wie weit du damit kommst, deinen eigenen Style hier zu präsentieren, wenn erst die ganze Nation beschlossen hat, dass du ein Lästermaul und eine kleine Scheißfotze bist, die Männer nur am Schwanz spazieren führt.< Hab ich das nicht gesagt?«
»Ja, Geraldine, aber nach dem heutigen Tag hat sich herausgestellt, dass sie eigentlich ganz nett ist. Ich meine, sie spinnt ein bisschen und ist bestimmt eingebildet, aber sie ist nicht wirklich ein Biest. Ich denke, es dürfte uns schwer fallen, sie als so gehässig darzustellen.«
»Sie wird genau so aussehen, wie wir sie darstellen wollen, und genau das sein, was wir wollen«, höhnte Geraldine.
30. Tag 9:20 Uhr
»Redet Geraldine sonst auch so mit Ihnen?«, fragte Trisha.
»Sie redet mit jedem so.«
»Man gewöhnt sich also daran?«
»An so etwas gewöhnt man sich nicht, Constable. Ich habe einen Abschluss in Medieninformatik. Ich bin kein blöder Pisser.«
Trisha nickte. Sie hatte von Geraldine Hennessy schon gehört, bevor diese mit Hausarrest berühmt geworden war. Die meisten kannten sie. Geraldine war selbst prominent. Eine berühmte, bissige, provokante und kontroverse Fernsehpersönlichkeit, meinte Trisha.
»Blödsinn!«, sagte Bob Fogarty. »Sie ist eine Fernsehhure, die sich als Innovatorin verkleidet und damit durchkommt, weil sie ein paar Popstars kennt und Vivienne Westwood trägt. In Wahrheit klaut sie geschmacklose, schwachsinnige Ideen aus dem Sensationsfernsehen, meist aus Europa oder Japan, kleistert irgendwas Hippes drauf, etwas mit Drogen oder so, und haut sie der Mittelklasse als postmoderne Ironie um die Ohren.«
»Dann mögen Sie sie also nicht?«
»Ich verachte Sie, Constable. Leute wie Geraldine Hennessy haben das Fernsehen ruiniert. Sie ist eine Kulturvandalin. Sie ist ein bösartiges, dummes, gefährliches Luder.«
Im Dunkeln konnte Trisha sehen, dass Fogartys Becher in seiner Hand zitterte.
»Beruhigen Sie sich, Mr. Fogarty«, sagte sie erstaunt.
»Ich bin ganz ruhig.«
»Gut.«
Dann spielte Fogarty Kellys Beichte ein, wie sie gesendet worden war.
»Ich werde sie irgendwann alle hassen.«
Nur diese sechs Worte hatte sie gesagt.
1. Tag 16:30 Uhr
Kelly kam aus dem Beichtstuhl und kehrte in den Wohnbereich des Hauses zurück. Layla schenkte ihr ein leises, mitfühlendes Lächeln und strich über ihren Arm, als sie an ihr vorüberging. Kelly drehte sich um, lächelte ebenfalls, und dann nahmen sie sich kurz in die Arme.
»Hab dich lieb«, sagte Layla.
»Hab dich doll lieb«, erwiderte Kelly.
»Bleib stark, okay?«, sagte Layla.
Kelly versicherte Layla, dass sie ganz bestimmt versuchen wollte, stark zu bleiben.
Kelly war so froh, dass Layla sie umarmte. Sie hatten am selben Tag schon einen kleinen Streit gehabt,
Weitere Kostenlose Bücher