Tödlicher Schnappschuss
und
Streifendienst hatte den Bereich bereits großflächig
abgesperrt. Drei Pressefotografen strichen um die Absperrung und
versuchten mit ihren Teleobjektiven einen Schnappschuss vom Schauplatz
schießen zu können. Das rotweiße Band mit der
Polizei-Aufschrift flatterte im Wind, und uniformierte Kollegen hielten
allzu neugierige Besucher und die Journalisten auf Distanz. Maja fragte
sich zum Teamleiter durch und wurde zu Jürgen Grundmann gebracht,
einem vierschrötigen Hünen von Mitte vierzig mit dichtem dunklem
Haar. Sein Anzug saß wie immer schlecht, und er war ein seltsamer
Typ. Dennoch war er im Kollegenkreis als guter und zuverlässiger
Polizist bekannt. Von Grundmann ließ sich Maja einweisen.
»Der Tote ist männlich,
37 Jahre alt. Christian Vorberg aus Holzminden.«
»Der Christian Vorberg?«
Maja runzelte die Stirn. »Der Fotograf Vorberg, meine ich?«
»Der Paparazzo aus dem
Weserbergland, ja.« Grundmann nickte. »Polizeilich ist er noch
nie in Erscheinung getreten, keine Ahnung, wer ihm was anhaben wollte.
Vorberg ist über die Mauer in die Tiefe gestürzt.«
»Gestürzt, oder
ist er gestürzt worden? Und wie lange ist er tot?«
»Der Arzt schätzt,
dass der Tod gegen Mitternacht eingetreten ist, für genauere Angaben
müssen wir das Ergebnis der Obduktion abwarten.« Grundmann rang sich ein Grinsen ab. »Er ist
über die Mauer gestürzt, weil er erschossen wurde. Vermutlich
hat er im Augenblick des Todes das Gleichgewicht verloren und ist dabei zu
Fall gekommen. Es gibt ein paar Schürfwunden, die er sich beim Sturz
zugefügt haben könnte. Spuren von Gewaltanwendung konnten - vom
Schuss abgesehen - nicht festgestellt werden.« Grundmann baute sich
neben dem Bergfried auf. »Der Täter muss sein Opfer hier
erwartet haben.« Er zeigte auf den Torbogen, durch den sie gerade
getreten waren. Dazwischen lagen gut fünf Meter. »Und von dort
aus hat auch der Tote die Ruine betreten. Weil es dunkel war, hat er
seinen Mörder nicht gleich sehen können. Er trat an die Mauer,
und sein Mörder muss ihm genau hier aufgelauert haben. Das muss für
unser Opfer ein gewaltiger Schreck gewesen sein, als er plötzlich
nicht mehr alleine hier war.«
»Was wissen wir über
die Tatwaffe?«
»Neun Millimeter - das
kann quasi alles sein. Vielleicht finden die Ballistiker mehr heraus.«
»Ich will den Toten
sehen.«
»Wie du magst.«
Grundmann wandte sich zum Gehen.
»Wer hat ihn gefunden?«
»Ein Kollege.«
»Ein Kollege?«
Maja war stehen geblieben. »Kenne ich ihn?«
»Wohl kaum.«
Wieder ein Grinsen, und Maja fragte sich, ob Grundmann heute einen Clown
gefrühstückt hatte. »Er ist privat hier und kommt aus
Wuppertal. Das liegt in Rheinland-Pfalz, glaube ich.«
Klugscheißer, dachte
sie verächtlich.
»Wuppertal liegt in
Nordrhein-Westfalen. Was tut er hier?«
»Burnout-Syndrom,
vermute ich. Ist zur Kur in Bad Pyrmont und konnte die Anwendungen nicht
ertragen, deshalb hat er sich von der Behandlung abgeseilt. Und nun schnüffelt
er hier rum und mischt sich in unsere Arbeit ein. Komischer Kauz, wenn du
mich fragst.«
»Ich frage dich aber
nicht.« Sie hasste seine überhebliche Art. Die Kollegen der
Spurensicherung bewegten sich in weißen Einmalanzügen durch das
Gelände und waren mit der Tatortarbeit beschäftigt. Gefundene
Gegenstände wurden in Plastiktüten gesammelt und katalogisiert.
Als das Team die Hauptkommissarin erblickte, nickten die Mitarbeiter ihr
zu. Weiter oben verfrachteten die Bestatter gerade den Toten in einen
Leichensack. Als sie die Kommissarin erkannten, unterbrachen sie ihre Tätigkeit.
Die schwarz gekleideten Männer traten einen Schritt zurück,
sodass Maja einen Blick auf die Leiche werfen konnte. Christian Vorberg
hatte ein männlich-markantes Gesicht, einen Dreitagebart und braunes
Haar, das ein wenig zu lang war. Er trug eine Jeans, festes Schuhwerk und
einen weinroten Pulli.
»Was wollte er hier?
Mitten in der Nacht?« Maja zog zweifelnd die rechte Augenbraue hoch.
»Das sind Kreative, Künstler,
Verrückte.« Grundmann wedelte mit den Händen in der Luft
herum. »Ich will nicht wissen, was der wirklich hier wollte.«
»Womöglich war er
mit jemandem verabredet, wurde überrascht und es kam zu dem tödlichen
Schuss.«
»Oder er war mit seinem
Mörder verabredet.« Grundmann grinste überheblich.
»Darauf wäre ich
nicht gekommen«,
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