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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Natalja nach Hause. Als sie vor dem Wohnblock hielten – ein seelenloser, häßlicher Betonsilo in Plattenbauweise –, half Sybin Natalja wieder mit aller Höflichkeit auf die Straße und blickte die glatte, scheußliche Fassade hinauf.
    »Hier wohnst du?«
    »Ja. Bei meinen Eltern.«
    »Sie wissen, was du treibst?«
    »Sie leben davon … darum tu ich es ja.«
    »Das brave Töchterchen.«
    »Du weißt nicht, was Hunger und Elend sind, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und innere Leere. Du bist die Made im fetten Speck.«
    »Ich bin aufgewachsen in einer Blechhütte in der Nähe von Kysilmow. Du kennst Kysilmow nicht? Wer kennt es schon! Ein Dorf am Rande des Moores. Im Winter vereist, im Sommer unter einer Wolke von Stechmücken. Mein Vater war Wurstmacher, er war beliebt wegen seiner Gewürzmischungen, die er keinem verriet. Und meine Mutter … sie war damit beschäftigt, immer schwanger zu sein. Nach dem zwölften Kind sagte sie mutig: ›Stepan, wenn noch eines kommt, schneide ich dir den Schwanz ab!‹ Das half. Mein Vater wurde wachsam, er wußte, daß sie es wahrmachen würde. Mit zwölf Jahren bin ich ausgerissen. Nach Moskau. Bin mit Güterzügen gefahren und habe mir mein Essen zusammengestohlen. Das war der Anfang. Und was bin ich jetzt?« Er zeigte auf den Mercedes und auf den wartenden Wladimir mit seinen weißen Handschuhen. »Man muß nur Mut haben und keine Seele.«
    Er griff wieder nach Nataljas Hand, drückte sie an seine Lippen und zeigte dann die Hausfassade hinauf.
    »Sag deinen Eltern, sie werden bald in einer schönen Datscha wohnen und im Sommer am Strand von Sotschi in der Sonne liegen. Und das alles, weil ihr Töchterchen bei jeder Nummer zählt … eine Million, noch eine Million … zehn Millionen … Wir sehen uns morgen wieder.«
    Er ging zurück zu seinem Wagen, Wladi riß die Tür auf, und sie fuhren schnell davon. Natalja blickte ihnen nach, bis sie um die Ecke bogen.
    »Und ich hasse dich doch!« sagte sie und zog den Kopf zwischen die Schultern. »Igor Germanowitsch, du wirst noch viel mit mir erleben …«
    Unmittelbar nach dem Fall der Berliner Mauer verließ General Alexander Nikolajewitsch Petschin seine schöne Wohnung in Karlshorst und kehrte nach Moskau zurück.
    Er bedauerte das sehr. Im Laufe der Jahre hatte er viele Freunde gewonnen, verkehrte im Hause von Mielke, dem Chef der Staatssicherheit der DDR, kannte eine Menge wichtiger Leute aus der Regierung, wurde bei Spionagechef Wolf zum Kaffee eingeladen und war ein gern gesehener Gast bei den Wirtschaftsbossen, mit denen er in dem feudalen Grand Hotel, dem Vorzeigehotel der deutschen Genossen, rauschende Feste feierte. Eine abgelegene Suite war immer für ihn reserviert … hier empfing der adrette General seine Gespielinnen, aber auch äußerlich unscheinbare Herren, die in diskreten Geschäftsbeziehungen zu ihm standen.
    Bei solchen Treffen trug Petschin natürlich keine Uniform, sondern einen unauffälligen mittelblauen Anzug. Wenn er das Prachtstück des Grand Hotels, die riesige, breite, mit rotem Teppich bespannte Freitreppe, hinunter in die runde Halle schritt, hätte niemand geglaubt, daß er einer der wichtigsten Männer der sowjetischen Besatzungsmacht war. Er war verantwortlich für die gesamte Logistik der Berlintruppe, und das war eine Position, die Macht bedeutete. Ohne General Petschin passierte in Berlin nichts.
    Über seinen Schreibtisch wurde die gesamte Versorgung der sowjetischen Garnison abgewickelt, einschließlich der Waffenkontrolle, obwohl es dafür eine eigene Abteilung gab, die sein Freund Kusma befehligte. Aber Kusma war nicht nur ein Freund, sondern so etwas wie ein illegales Familienmitglied – er war der Liebhaber von Petschins Schwägerin Olga, der Schwester der Frau Generalin. Eine so enge Verbindung ist zugleich auch eine Verpflichtung. Für Petschin gab es also nichts, was er nicht beschaffen konnte … für eine Gehaltsaufbesserung die beste Voraussetzung.
    Also war es verständlich, daß General Petschin nicht nur im Grand Hotel mit den Spitzen der DDR-Regierung dinierte, sondern auch Kontakte zu den ›untergeordneten Kreisen‹ pflegte. Hier – vor allem in der Stasi, dem Staatssicherheitsbüro – fand er die Männer, die über beste Beziehungen im westlichen Ausland verfügten und manche lukrativen Geschäfte vermittelten. Natürlich gegen eine prozentuale Beteiligung – das ist so selbstverständlich im Geschäftsleben, daß man darüber nicht zu sprechen braucht, denn aus

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