Tödlicher Staub
Deutschland verkaufen?« fragte sie ungläubig.
»Natalja, welch ein Gedanke! Wenn ich das wollte, wärst du jetzt schon unterwegs zur Grenze.«
»Was willst du dann?«
»Ich werde aus dir eine der reichsten und schönsten Frauen der Welt machen. Die Männer werden dir zu Füßen liegen … auch wenn du sie haßt.«
»Und meine Gegenleistung?«
»Du sollst meine Sonne sein, die in jeden Winkel strahlt.«
»Wie poetisch. Eine Sonne des Verbrechens!«
»Laß mich weiter erzählen, damit du deine Aufgabe begreifst.« Sybin legte die Hände übereinander. Die linke Hand lag jetzt auf der rechten … die linke Hand mit den vier Fingern. Er hat wirklich keine Narbe, dachte sie. Es ist ein Geburtsfehler. Welch ein eitler Mensch er ist. Er sucht nach Vollkommenheit und ist selbst eine Mißgeburt. Wie muß ihn das erschüttern.
»Wir haben unser Machtimperium in Rußland aufgebaut. Unsere Vertrauten sitzen in allen wichtigen Positionen des Staates: in den Ministerien, im KGB, im Obersten Sowjet, beim Militär, in allen staatlichen Betrieben, bei der Energieforschung, im diplomatischen Corps. Sie alle, diese Freunde, halten die Hand auf, und wir legen die Scheinchen hinein. Es war nie anders in Rußland, nur ist jetzt unser Konzern der Geldgeber. Das bedeutet: Wir wissen alles. Der Informationsfluß gleicht einem strömenden unterirdischen Gewässer. Natalja, was weißt du von Gorbatschow?«
»Was wir alle wissen – er hat es schwer mit seinen Reformen.«
»Er wird bald in aller Ruhe in seiner Datscha leben können.« Sybin blickte an die Decke, als wolle er dort seine weiteren Worte ablesen. »Man plant, Gorbatschow mit einem schnellen, schmerzlosen Putsch zu entmachten. Im August soll er stattfinden, und Boris Jelzin soll an seine Stelle treten. Der KGB-Vorsitzende Wladimir Krjutschkow ist einer der Köpfe der Putschisten. Es wird sich nach dem Putsch vieles ändern … in der Partei, in der Wirtschaft, im militärischen Bereich, in der Außenpolitik. Wir wissen, daß Jelzins Pläne darauf hinauslaufen, mit den USA einen Atomsperrvertrag zu unterzeichnen, der alle Atomtests verbieten soll, die weitere Herstellung von waffenfähigem Uran und Plutonium soll eingestellt werden, die vorhandenen Atomraketen sollen vernichtet werden. Einen Atomkrieg soll es nicht mehr geben. Die Welt soll sicher und angstfrei werden.«
»Das weißt du alles im voraus?«
»Ich sagte schon: Unsere Informanten sitzen überall. Das versetzt uns in die Lage, weit voraus zu planen. Wenn Rußland diesen Atomsperrvertrag unterschreibt, wird es eine dramatische Entwicklung geben: Die Atomforschungsinstitute werden geschlossen, von heute auf morgen werden Tausende von qualifizierten Forschern arbeitslos, die Atomstädte wie Semipalatinsk, Krasnojarsk, Tomsk, Tscheljabinsk und die anderen geheimen Forschungsstätten in Sibirien und Kasachstan werden tote Städte werden, in denen die Arbeitslosen in den Parks herumsitzen und jede Arbeit annehmen, um ihren Hunger zu stillen. Auf sie können wir zurückgreifen … und auf die arbeitslosen Atomforscher und ihre Teams. Und dort, in den Forschungszentren und den Atomkombinaten liegen unsere Milliarden. Sie liegen herum wie in einem Selbstbedienungsladen … man braucht sie nur einzusammeln!«
»Was willst du dort einsammeln?«
»Waffenfähiges Plutonium 239, Uran 235, Plutoniumbrennstäbe, Lithium 6, zündungsfähige Atombomben und Atomraketen …«
»Und was soll man damit anfangen?«
»Aus Plutonium – aus nur fünf Kilogramm – kann man eine Bombe bauen, gegen die die Bombe von Hiroshima nur ein Windhauch war. Mit Lithium 6 baute man die Wasserstoffbombe, mit Uran die Uranbombe.«
»Bomben! Bomben! Bomben! Wer will sie denn?«
»O Natalja. Es gibt viele Staaten, die eine Atommacht werden wollen: der Iran, Pakistan, Libyen, Korea, Herrscher in Schwarzafrika … es wimmelt nur so von Interessenten.«
»Igor Germanowitsch … es ist ein Geschäft mit millionenfachem Tod. Willst du die Menschheit auslöschen?«
»Ich bin ein Händler, weiter nichts. Ich liefere, wonach Nachfrage besteht. Was der Käufer damit macht … ist es meine Schuld? Es ist wie mit der Kartoffel: Man kann sie kochen und essen, oder man kann aus ihr verbotenen Schnaps brennen. Soll man deswegen jeden Kartoffelverkäufer anklagen? Natalja, in Kürze werden ungefähr sechstausend Arbeiter der Atomindustrie auf der Straße stehen, und in den Lagern befinden sich jetzt hundertachtzig Tonnen Plutonium, hat man uns verraten.
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