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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Antwort, die Natalja unter die Haut ging. Fultons braun-grüne Augen lächelten ihr zu. Noch nie hatte sie das Gefühl gehabt, unsicher zu sein. Ein Mann war für sie nur ein Objekt, über das man eine Karriere aufbauen konnte, das sie heraushob aus den muffigen Plattenwohnungen im Moskauer Arbeiterviertel, das ihr die Möglichkeit gab, ihren deprimierten Vater zu ernähren und ihre duldsame Mutter zu erfreuen. Dies hatte sie erreicht durch ihre Hingabe an Sybin, dem großen Konzernherrn. Sie war reich geworden, besaß eine eigene Datscha in den Wäldern bei Moskau, und sie zeigte ihm ihre Dankbarkeit, indem sie seine Umarmungen duldete und tat, was er wollte. Die Seligkeit einer Liebe hatte sie nie erfahren, nur das Erdulden männlicher Triebhaftigkeit … es war ihr ein Rätsel, was Liebe bedeutete. Und plötzlich saß ihr ein Mann gegenüber, gegen den sie sich innerlich wehrte, aber dessen Stimme und Blicke sie erheblich irritierten.
    Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sich Awjilah in das Gespräch einschaltete. Während Ducoux sich eine seiner dicken Zigarren ansteckte, Pataneau sich mit Lumette über die neue Forschung in der Lasertechnik unterhielt, sagte er:
    »Waren Sie schon mal in meiner Heimat? Im Iran?«
    »Nein. Dort trinkt man doch keinen Alkohol.«
    »Ich suche in meinen Erinnerungen, Mr. Fulton. Irgendwo habe ich Sie schon einmal gesehen.«
    Vorsicht, Dick! Das kam unerwartet.
    »Das kann sein.« Fulton trank einen Schluck Champagner, hielt sein leeres Glas einer der Bedienungen hin und erhielt sofort ein neues Glas und einen verheißungsvollen Blick. »Unsere Firma macht viel Reklame. In Zeitschriften, im TV, in Magazinen. Manchmal trete ich als ein Kunde auf, der sagt: ›Einmal Ladykiller, immer Ladykiller. Fragen Sie meine Frau!‹ Dämlicher geht es nicht … aber es hatte Erfolg.«
    »Das wird es sein!« Awjilah lachte, aber der Ausdruck seiner Augen blieb nachdenklich, forschend und gefährlich.
    Iran, dachte Fulton. Teheran. Die Fotos von den Labors, in denen man die Zündung einer Atombombe simulierte. Der Bau eines Reaktors, dessen Vollendung sich hinauszögerte, weil Rußland keine Technik mehr schickte. Die Liste russischer Nuklearexperten, die arbeitslos geworden waren und in den Iran wechselten. Vor zwei Jahren war das alles passiert. Niemand hatte ihn damals enttarnt. Wieso konnte sich Awjilah an sein Gesicht erinnern?
    »Ich möchte gern mal Ihre Heimat kennenlernen«, sagte er, »aber wir Amerikaner sind bei Ihnen nicht sehr beliebt.«
    »Sie kennen die Gründe. Die Politik …«
    »Sie verdirbt den Menschen. Gott sei Dank bin ich ein völlig unpolitischer Mensch. Wie lange sind Sie schon hier an der Botschaft?«
    »Vier Jahre.«
    Er kann mich also gar nicht von Teheran her kennen. Das beruhigte Fulton ein wenig. Natalja Petrowna war aufgestanden und ging die große Freitreppe hinauf. Fulton sah ihr nach und konnte sich nicht vorstellen, daß oben in einem der Zimmer ein Liebhaber auf sie wartete.
    Madame de Marchandais trat in die Mitte des ›Roten Salons‹ und hob eine kleine silberne Glocke. Ihr heller Klang ließ alle Gespräche verstummen.
    »Meine Lieben«, sagte sie. »Es hat mich einige Mühe gekostet, aber es war von Erfolg gekrönt. Unser hochverehrter Gast Natalja Petrowna Victorowa hat sich überreden lassen, heute abend noch einmal Lieder aus ihrer russischen Heimat zu singen.«
    Die Herren klatschten begeistert, die Damen reagierten weniger euphorisch. Seit diese Russin bei Madame wohnte, hatte sich das Klima im ›Roten Salon‹ verändert. Die Männer stellten Vergleiche an. Beim Bäumchen-wechsle-dich-Spiel war das nicht gerade angenehm für die schon etwas reiferen Damen, der einzige Trost war, daß es noch niemandem gelungen war, Natalja in die oberen Zimmer zu entführen. Sie war von einer unantastbaren Schönheit, so wie man eine wertvolle Porzellanpuppe in einem Glaskasten vor jeder Berührung abschirmt. Die Bedienungen der Madame waren dagegen keine Konkurrenz. Sie waren käuflich … eine Dame dagegen war ein persönliches Geschenk.
    Oben auf der Treppe erschien jetzt Natalja. Sie hatte sich umgezogen und trug nun einen einfachen weiten Rock, eine rote Bluse, und in das Haar hatte sie künstliche Sommerblumen gesteckt, die so echt aussahen, daß man nur beim Anfassen bemerkte, daß sie aus Seide gefertigt waren. Als sie ihre Gitarre hob, sagte Ducoux leise zu Fulton:
    »Jetzt erleben Sie einen Kunstgenuß, der nur uns geboten wird. Diese Stimme

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