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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auch nach Berlin.«
    »Ich freue mich«, log Sendlinger.
    »Sie auch. Und nun schlaf weiter, Paul. Ich rufe dich bald wieder an.«
    Ein Knacken, das Gespräch war beendet. Aber Sendlinger konnte nicht weiterschlafen. Er saß im Bett und überdachte noch einmal das Telefonat mit Moskau.
    Eines war ihm klar: Sybin hatte angerufen, um ihm zu zeigen, daß die Macht der russischen Mafia sogar bis in die deutschen Polizeibehörden reichte. An einen ›Maulwurf‹ im BKA konnte Sendlinger nicht glauben, obgleich in Deutschland – gerade nach der Wende – alles möglich war. Er tippte eher auf den BND; Doppelagenten waren keine Seltenheit, der Informationsfluß war oft erst auf Umwegen möglich. Und daß Leute aus Sybins ›Konzern‹ auch in der russischen Abwehr saßen, das war für ihn sicher. Was auch hinter Rußlands verriegelten Türen geschah oder besprochen wurde – Sybin erfuhr es umgehend.
    Es war schrecklich und quälend, aber Sendlinger wartete auf eine neue Nachricht aus Moskau.
    Zehn Tage später klingelte das Telefon, nicht nachts, sondern am Tag, in der Kanzlei von Rechtsanwalt Dr. Sendlinger. Er war gerade dabei, einen Mandanten zu beraten, der eine Scheidung von seiner Frau vorbereitete. Ein hoffnungsloser Fall. Das Ehepaar lebte in einer Zugewinngemeinschaft, was hieß, daß alles, was in den Ehejahren verdient und angeschafft worden war, geteilt werden mußte. Sein Mandant hatte während seiner zweiundzwanzigjährigen Ehe eine Fabrik für Baubeschläge aus dem Nichts aufgebaut, denn als er heiratete, war er noch Student gewesen, genau wie seine Frau, und beide hatten unter großen persönlichen Opfern das Werk zu einem in der Branche führenden Unternehmen gemacht. Jetzt war er Millionär, besaß eine Villa bei Marbella und eine junge Geliebte in Porto Banus. Wie das so ist im Leben – von seiner Frau hatte er sich entfremdet. Man hatte sich nichts mehr zu sagen, lebte nebeneinander her ohne innere Anteilnahme. Gewohnheitstiere, die sich ab und zu bissen und innerlich haßten. Eine Scheidung aber würde den Ruin der Fabrik herbeiführen, die totale Veränderung des bequemen Lebens. Das deutsche Scheidungsrecht kannte da keine Kompromisse, wenn sie nicht von den Ehepartnern selbst kamen.
    Das hatte Dr. Sendlinger dem erschrockenen Mandanten erklärt: Eine Scheidung würde für ihn den wirtschaftlichen Zusammenbruch bedeuten.
    In dieser schwierigen Situation klingelte das Telefon. Die Sekretärin im Vorzimmer entschuldigte sich: »Ein Ferngespräch. Der Herr ließ sich nicht abweisen. Es sei dringend.«
    Dr. Sendlinger spürte erneut das Kribbeln im ganzen Körper. »Stellen Sie durch, Monika.« Und zu dem blaß gewordenen Mandanten sagte er: »Sie entschuldigen. Es dauert nicht lange. Ein Ferngespräch.«
    Sybin hielt sich nicht mit Höflichkeiten auf. Er kam sofort zur Sache.
    »Onkel Alexander Nikolajewitsch ist gestern gestorben. Er hat nicht lange gelitten. Es ging sehr schnell.«
    Sendlinger preßte die Lippen zusammen und wandte sich souverän an seinen ehemüden Mandanten.
    »Ein Trauerfall, mein Onkel.«
    »Mein Beileid.« Der Fabrikant verzog den Mund. »Es sterben immer die Falschen.«
    »Wir sind alle erlöst worden«, hörte Sendlinger Sybins Stimme, »jetzt hat er seine Ruhe.«
    »War es ein Herzanfall?« Sendlinger gab sich Mühe, ruhig zu sprechen.
    »Nein. Eine innere Blutung. Kein Arzt hätte da mehr helfen können.«
    »Tragisch. Igor, leg ihm einen großen Kranz von mir aufs Grab.« Er holte tief Luft. »Sonst noch etwas?«
    »Nein. Wie geht es dir?«
    »Wie immer. Sprich für Onkelchen ein Gebet.«
    »Du Arsch!«
    Sybin legte auf. Es gab in Moskau keine Zeugen mehr, die Spur war ausgelöscht. Es war das Gesetz der Wildnis: Der Schwache wurde totgebissen. Er war eine Belastung geworden. Das Leben gehört den Starken.
    Dr. Sendlinger wandte sich wieder seinem Mandanten zu.
    »Es ist zu überlegen«, sagte er nüchtern, »ob unter diesen Umständen eine Scheidung sinnvoll ist. Das müssen Sie entscheiden. Eines ist sicher: Sie gehen – volkstümlich ausgedrückt – baden. Wir haben Gesetze, die an der Vernunft vorbei gemacht wurden.«
    Drei Tage später war in einer Berliner Zeitung eine kleine Meldung zu lesen:
    »General Alexander N. Petschin ist in Moskau verstorben. Petschin wurde bekannt, als er für die Versorgung der sowjetischen Truppen in Berlin verantwortlich wurde. Er war ein Freund Deutschlands und nannte Berlin seine zweite Heimat. Petschin starb an einem Riß der

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