Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Bauchschlagader.«
    Was keiner wußte: Petschin hatte am Tag seines Todes Besuch von zwei Männern bekommen, die Uniformen der Armee trugen … ein Leutnant und ein Oberleutnant. Sie kamen in seine Privatwohnung, in der der Junggeselle allein lebte.
    »Was gibt es?« fragte er erstaunt. »Jetzt, um diese Zeit? Es ist schon zehn Uhr abends, meine Herren. Wer schickt Sie?«
    »General Sovkov«, antwortete der Leutnant. Er war ein großer, kräftiger Mann. Auch der Oberleutnant war ein Kraftmensch mit dem Gesicht eines Boxers.
    »Sovkov? Sovkov? Ich kenne keinen General Sovkov.«
    Sie betraten die Wohnung, schlossen die Tür und versetzten Petschin einen leichten Schlag an die Stirn. Er taumelte zurück, aber bevor er schreien und sich wehren konnte, landete der zweite Hieb bereits an seinem Kinn.
    Petschin stürzte völlig benommen zu Boden, Blut sickerte aus seinem Mund, instinktiv krümmte er sich zusammen, aber ein Tritt in den Rücken ließ ihn sich wieder strecken. Und dann traten die ›Offiziere‹ mit aller Wucht in seinen Leib, immer und immer wieder, auch dann noch, als Petschin schon längst ohnmächtig war … sie trampelten auf ihm herum, bis sein Gesicht sich gelblich verfärbte und die Baucharterie platzte.
    Ungesehen verließen die beiden Offiziere die Wohnung, stiegen auf der Straße in einen Wolga und fuhren davon. In Moskau stand keine Wache unten vor dem Haus, wozu auch. In der Heimat ehrt man einen General, aber man beschützt ihn nicht. Ein General ist in den Augen eines Russen eine unangreifbare Persönlichkeit.
    So starb Petschin an ›innerer Blutung‹ und wurde drei Tage später mit allen militärischen Ehren beerdigt.
    Niemand kam auf den Gedanken, daß es kein natürlicher Tod gewesen war – dies wäre zu absurd gewesen.
    Sybin hörte erst wieder von Sendlinger, als nach dem ersten Putschversuch der verunsicherten Altkommunisten gegen Gorbatschow im August 1991 der zweite Putsch im Dezember 1991 den großen Machtwechsel herbeiführte. Boris Jelzin, der im August Gorbatschow gerettet und sich mit ihm solidarisch erklärt hatte, leitete die Ablösung ein und übernahm selbst die Regierung. Der Zusammenbruch der bisher noch bestehenden Sowjetunion war vollzogen. Die Mutter des Kommunismus lag im Sterben. Mit einer Grundsatzerklärung, der sogenannten ›Minsker Erklärung‹, gründeten die Präsidenten von Weißrußland, der Ukraine und Rußland im Dezember 1991 die ›Union der Unabhängigen Staaten‹, die nun unter der Abkürzung GUS die Geschichte Rußlands verändern sollte. Präsident von Rußland wurde Boris Jelzin. Der große Reformer Gorbatschow, der Geburtshelfer des wiedervereinten Deutschland, verschwand in ein ihm aufgezwungenes Privatleben. Perestroika … das Wort bekam einen anderen Klang. Was Gorbatschow an Erneuerungen geplant hatte und dafür eine Zeitspanne von fünfzehn bis zwanzig Jahren für vernünftig und vertretbar hielt, sollte nun in rasendem Tempo verwirklicht werden. Das russische Volk, das den Begriff Freiheit seit Jahrhunderten nur aus dem Wörterbuch kannte, gierte nach Wohlstand und privater Freizügigkeit. Es waren die gleichen Fehler, an denen sich die Demokratiebewegungen vieler, plötzlich ›freier‹ Staaten in Afrika oder Südamerika ins Gegenteil verkehrten. Die Freiheit fraß ihre Befreiten, und die öffentliche Ordnung, Grundpfeiler eines Staatswesens, brach zusammen.
    Sybin war in Hochstimmung, als er Dr. Sendlinger im Dezember 1991 anrief.
    »Nun ist es soweit, endlich!« rief er ins Telefon. »Die Türen öffnen sich … für uns! Die alte Sowjetunion ist Historie geworden. Bis auf ein paar Fanatiker, Uraltkommunisten, entthronte Generäle und ihrer korrupten Pfründe entzogene Parteibonzen hofft alles auf bessere Zeiten. Aber auch Wodka-Boris wird scheitern. Die Arbeitslosigkeit wird steigen, die Armut wird sich ausbreiten, das ganze Wirtschaftssystem wackelt, nur die Außenpolitik wird zur Schaunummer. Rußland wird von innen zerfressen werden, und der Krebs heißt Zügellosigkeit – die beste Voraussetzung für unser Geschäft. Der Konzern steht mit Geldbündeln bereit.«
    »Wann kannst du liefern, Igor?« fragte Sendlinger. Die Euphorie Sybins steckte ihn nicht an. Er hatte im Fernsehen die dramatische Entwicklung Rußlands mit großer Spannung verfolgt und war zu einer anderen Einschätzung gelangt. Gorbatschow war zu weich für das brodelnde Rußland gewesen, zu vorsichtig, zu zögernd … seine Vorstellung einer Demokratisierung

Weitere Kostenlose Bücher