Toedlicher Staub
den Klatsch von der Costa Smeralda konzentrieren, eines seiner Lieblingsthemen in der Zeitung. Eine reiche Frau, schon immer Mittelpunkt der sagenhaften Nächte der Nabobs im Urlaub, hatte beschlossen, ihren Reichtum zu verleugnen, war in die Politik gegangen und wollte einen auf volksnah machen. Ein Freund und Geschäftspartner tat es ihr gleich und bot den Gästen des Lokals, das beiden gehörte, ein Touristenmenü für zweihundert Euro pro Person an. Getränke exklusive, versteht sich. In seinem Verdruss über die fruchtlose Warterei interessierte Pierre sich krankhaft für diese Geschichte, doch jetzt hatte der Anblick der beiden Männer ihn in Alarmbereitschaft versetzt.
Zwanzig Minuten später trat der Gesuchte aus dem Fahrstuhl. Tatsächlich, es war Michele Ceccarello. Noch bevor Pierre sein Gesicht sah, erkannte er ihn an seinem Humpeln. Er selbst hatte ihn vor ein paar Jahren lahmgeschossen, als er bei einer Auseinandersetzung den Kopf verlor. Hinter der Zeitung spähte er nach Ceccarellos Gesicht, während dieser an ihm vorbeiging. Die plastischen Chirurgen hatten ganze Arbeit geleistet, aber Pierre hatte zu lange mit ihm zu tun gehabt, um manche Details nicht wiederzuerkennen, vor allem die Form des linken Ohrs. Die Stimme zerstreute dann alle restlichen Zweifel. Das an die Angestellten in der Rezeption gerichtete »Guten Morgen« hatte er lange Zeit hindurch allmorgendlich genau so gehört.
Am liebsten hätte Pierre die Ordnungskräfte angerufen und die Nachricht durchgegeben, doch er hatte klare Anweisungen. Er sollte Ceccarello und seine Komplizen beschatten und dann berichten. Der Leutnant, der die Ermittlung leitete, hatte gesagt, er würde Ceccarello zwar gern sofort festnehmen, könne es aber nicht.
Ceccarello setzte sich zu den beiden Tunesiern. Trotz seines Hinkens hatte er sich das Auftreten eines Offiziers von der Militärakademie bewahrt, mit seinem eleganten dunklen Anzug und dem nach hinten gekämmten Haar, das seine flächige Stirn und die Adlernase zur Geltung brachte.
Nach dem Frühstück kamen die drei zurück in die Halle. Sie unterhielten sich auf Französisch. Ceccarello zahlte die Zimmer in bar, dann fuhr er hoch, das Gepäck holen.
Pierre ging hinaus und stieg in seinen Wagen, um sie zu verfolgen. Hoffentlich beeilten sie sich, dachte er. Der japanische Kleinwagen, den ihm die Carabinieri zur Verfügung gestellt hatten, stand in der späten Augustsonne, und nach wenigen Minuten klebte ihm das Hemd am Leibe.
Endlich rollte eine Limousine mit verdunkelten Scheiben heran. Der Fahrer stieg aus; er war weithin als Bodyguard erkennbar. Gefolgt von einigen Kofferträgern, kamen Ceccarello und seine Freunde aus dem Hotel.
Pierre hielt sich rund dreißig Meter hinter dem Wagen und achtete darauf, nicht aufzufallen. Der andere fuhr entspannt, offenbar ohne die geringste Eile.
Er hingegen war durchaus nicht ruhig. Er fürchtete ständig, den Wagen zu verlieren oder bemerkt zu werden. Er fühlte sich nur bei Dingen sicher, die er gut beherrschte, und für Beschattungen war er nicht ausgebildet. Zum Glück war die Fahrt kurz. Nach wenigen Minuten glitt die Limousine durch die Einfahrt zum Yachthafen Marina Piccola. Pierre stellte den Wagen beim Eingang ab und mischte sich unter die Badenden und Touristen auf der Promenade, die zu den Anlegern führte.
Er zückte das Handy. Zu seinen Aufgaben gehörte es, Fotos zu machen, und bis jetzt war er nicht dazu gekommen.
Die Limousine hatte vor einer luxuriösen Motoryacht gehalten. Mehr als zwanzig Meter elegantes Kunstharz mit feinen goldenen Verzierungen. Schmale Linienführung, der Bug so scharf wie ein Stilett. Ein schwimmender Traum, der nur darum nicht sofort ins Auge fiel, weil er zwischen seinesgleichen ankerte.
Pierre zoomte die Yacht heran und machte ein paar Aufnahmen. Er prüfte die Qualität und fluchte leise zwischen den Zähnen. Ceccarello war nur von hinten zu sehen. Von der Menge getarnt, ging er vorsichtig näher, doch die drei waren schon an Bord verschwunden. Er konnte nur noch den Namen des Schiffes festhalten, der am Rumpf prangte: His Majesty . Dann wurden die Motoren gestartet, und ein Matrose machte die Leinen los.
Hinter Pierre warf ein Mann den Zigarettenstummel zu Boden, nahm sein Handy und rief Ceccarello an.
»Ihr wart nicht allein«, raunte er.
»Scheiße. Wer?«
»Nie gesehen. Er steht neben den beiden Bäumen, von dir aus gesehen rechts.«
Im Schiff nahm der Humpelnde das Fernglas zur Hand und trat an
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