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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Rechnungen, Lieferscheine und Frachtpapiere ausgedruckt und sich im Lager einen Überblick über den Bestand an Weinen, Rebsorten, Qualitäten und Jahrgängen verschafft. Fehlbestände hielten sich in Grenzen, er würde mit Sauter darüber reden. Erstaunlich, wie weit Sauters Riesling-Jahrgänge zurückreichten, zumal immer von frischen, fruchtigen Rieslingen mit knackiger Säure die Rede war. Weine mit diesen Beschreibungen verursachten bei ihm eher Sodbrennen. Aber womöglich kam es auf die Qualität an.
    Aufgebracht kam Klaus jetzt zu ihm. »Jemand hat vor der ›Goldenen Gans‹ bei einem Wagen alle vier Reifen zerstochen.« Der Junge war so wütend, als ginge es um sein Motorrad. »Und mit Lippenstift hat er ›Zweite Warnung‹ auf die Windschutzscheibe geschrieben. Das waren die vom Campingplatz!«
    Georg meinte, dass man mit derartigen Reaktionen rechnen müsse, allerdings war ihm Klaus mit seinen Schlussfolgerungen zu voreilig.
    »Hast du die Täter gesehen?«, fragte er, unvermittelt war er zum Du übergegangen. »Wenn du jemanden verdächtigst,denk immer daran, wer sonst noch verdächtig sein könnte, wem der Verdacht nutzt. Andere könnten sich im Nebel davonmachen.«
    »Wer sollte das sein?«
    Im Moment wusste Georg keine Antwort. »Wir sollten nach Ürzig fahren, ich will mir den Tatort noch mal genauer ansehen.« Im Grunde wollte er herausfinden, ob seine Worte bei Kommissar Wenzel gefruchtet hatten. Das in Trier erstandene Fernglas nahm er vorsichtshalber mit, an den Ort des Geschehens würde man sie, falls Wenzel zugehört hatte, nicht mehr heranlassen.
    »Ich fahre selbst, meine Maschine ist mir lieber als Ihr komischer Polo. Oder wagen Sie es, mit mir …?«
    »Ich bin nicht lebensmüde …« Er hatte es wie eine Floskel dahingesagt, doch als er hinter Klaus’ Motorrad über die Brücke fuhr, die zwischen den Ortsteilen Zeltingen und Rachtig über die Mosel führte, überkam ihn wieder jene Müdigkeit, mehr wegen dem, was hinter ihm lag, als wegen dem, was er sich nebulös unter Zukunft vorstellte. Die Momente, in denen er sich mit Grübeleien plagte, wurden kürzer, die lichten Momente nahmen zu, trotzdem stand alles Kopf, er stand Kopf, er brachte die Erinnerungen vom Wochenende in Hannover nicht mit dem überein, was hier geschah. Ließen sich zwei Leben gleichzeitig führen? Niemals! Man würde schizophren werden, ihm gelang es ja nicht einmal, ein einziges zu führen. Er wurde geführt und ließ sich führen, von den Umständen, den Notwendigkeiten, von Sachzwängen, Arbeitsabläufen – andere bestimmten. War alles aussichtslos? Aber wie soll es anders sein, wenn ich mir das alles gefallen lasse, fragte er sich und trat voll auf die Bremse, fast wäre er im Kreisverkehr in einen Lieferwagen hineingefahren.
    Hinter Ürzig führten Serpentinen hinauf in den Weinberg, da riss ihn, als er in den Wirtschaftsweg einbog, das Geräusch der Rotorblätter eines Hubschraubers aus den unnützen Gedanken. Georg hielt, der Hubschrauber kam gefährlich aufihn zugeflogen. Er stieg aus, um zu sehen, ob die Tiefflüge wieder dem Weinbau dienten. Sofort roch er das Spritzmittel; sie selbst hatten an der Zeltinger Sonnenuhr das Zeug verwendet, aber da hatten sie Schutzmasken dabeigehabt.
    Der Hubschrauber verrichtete wieder an den steilsten Stellen die Spritzarbeit. Der Pilot musste sein Fluggerät hervorragend beherrschen, tiefer konnte man nicht fliegen, ohne mit den Kufen in die herzförmig gebogenen Fruchtruten zu geraten und die Rebstöcke auszureißen oder abzustürzen. Am Ende des mit farbigen Plastikstreifen gekennzeichneten Feldes zog der Pilot das Gerät nach oben, als stünde es auf dem Leitwerk, kippte nach rechts, blieb dadurch fast an derselben Stelle und flog neben dem eben besprühten Streifen zurück. Georg fuhr ein Stück weg, wo ihn der Dunst aus den Spritzdüsen nicht erreichte. Klaus, bereits weit voraus, kam zurück, und sie beobachteten fasziniert das gefährliche Schauspiel.
    »Angeblich sind das Russen, ehemalige Militärpiloten aus Tschetschenien mit Kriegserfahrung.«
    »Dir kann man jeden Mist erzählen, du glaubst auch jede Scheißhausparole.« Georg schaute ins Gesicht des völlig verdutzten Jungen, derartige Worte hatte er von ihm bisher nicht zu hören bekommen. »Ja, das meine ich ernst. Hast du mit einem von denen geredet? Kennst du einen Piloten? Stand es in der Zeitung? War die Meldung verifiziert?«
    »Was heißt ›verifiziert‹?«, fragte Klaus verdattert. Georg lachte

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