Tödlicher Steilhang
Motorrad angebracht war. »Hier.« Er gab Georg einen gefalteten, zerdrückten Zettel, die Liste mit den Namen der Teilnehmer an der letzten Sitzung mit Peter Albers.
»Und weshalb ist dieser Name unterstrichen?« Georg zeigte darauf.
»Einer von Albers’ Intimfeinden, Weissgräber. Albers hat ihm angeblich den wichtigsten Kunden weggeschnappt. Seitdem gab es Zoff, mehr weiß ich nicht. Es wird viel getratscht.«
Die Konkurrenz machte alle Leute fertig, dachte Georg, einer war des anderen Feind, dabei war von allem genug für alle da. Aber einige wollten mehr und mussten sich ständig noch mehr davon unter den Nagel reißen. Das war kein Wirtschaften mehr, das hatte nichts mit der Erfüllung von Bedürfnissen oder der Befriedigung von Bedarf zu tun, es war das reine Geldmachen. Es ekelte ihn an. Er schaute Klaus zu, wie er die Maschine anwarf.
Klaus klappte noch einmal das Visier hoch. »Was ich vergessen habe …«, er wies auf die andere Seite des Moseltals. Der Waldrand oberhalb der Weinberge lag im letzten Licht des Tages, über das Tal legten sich bereits die Schatten der Nacht. »Da drüben, sehen Sie die Masten? Da ist die Baustelle, wir müssen unbedingt hin. Ich zeige Ihnen alles. Geht es morgen Abend?«
Georg stöhnte. »Klaus, wann kapierst du es endlich? Ich bin nicht wegen der Brücke hier, sondern wegen Menges.«
»Aber der ist wegen der Brücke umgekommen … ach, und noch etwas: Der Bruder von diesem Manfred, der arbeitet bei einer Baufirma als Fahrer, die an der Baustelle tätig ist.«
»Das ändert einiges …«
»Ich wusste es«, sagte Klaus siegessicher und jagte davon. Sowohl die Polizisten als auch die Kameraleute sahen der davonpreschenden Maschine verblüfft nach.
Es wird Zeit, dass Pepe kommt, sagte sich Georg, seine Ungeduld nahm zu, alles dauerte ihm zu lange. Pepe war hart genug für das, was sich abzuzeichnen begann, Pepe war härter, sowohl im Nehmen als auch im Geben … Womöglich hatte Klaus doch recht. Dann stellte sich die Frage, wer so dumm war, den Winzer umbringen zu lassen. Unter diesen Umständen musste er Klaus aus der Sache raushalten. Morgen würde er Patrick Albers und seine Mutter aufsuchen. Patrick wusste mehr, er hatte ihm längst nicht alles über die Biker und Tille gesagt. Und Georg musste sich noch einmal auf dem Campingplatz umschauen.
Als er nach Hause kam, war es fast dunkel, die Tage wurden merklich kürzer, der Herbst kündigte sich an, die Trauben reiften, die Lese rückte näher, und Georg bemerkte, wie bei ihm selbst, der mit alldem doch nur wenig zu tun hatte, dessen Leben und Existenz nicht davon abhing, die Spannung wuchs. Sie hatte nichts damit zu tun, dass er heute erfolglos nach den Wächtern von COS Ausschau hielt. Die Plattfüße hatten es aufgegeben, ihn zu beobachten, vielleicht hatten sie sich etwas anderes einfallen lassen, um ihn unter Kontrolle zu halten. Er musste sich einen Kameradetektor und ein Wanzensuchgerät besorgen. Die waren online zu bekommen, Lieferzeit eine Woche, er hatte sogar die Goldene Kundenkarte erhalten. Kurz nachdem COS die Firma übernommen hatte, war ihm die Karte zugeschickt worden. Das erst hatte ihn misstrauisch werden und ihn recherchieren lassen, was in der Firma geschah. Der Kram war billig, das erinnerte ihn wieder daran, dass er sich momentan um Geld nicht sorgen musste.
Obwohl er es für aussichtslos hielt – an welche Aussicht er dabei dachte, war ihm nicht klar –, ging er noch einmal am grünen Tor vorbei. Susanne Berthold musste vergessen haben, das Tor zu schließen, so konnte er vom Hof aus durch das offene Fenster in ihr Büro blicken, er hingegen stand im Dunkeln. Sie saß im Licht, er sah ihr Profil im Schein der Schreibtischlampe, den Körper über den Tisch gebeugt, ab und zu richtete sie sich auf und blickte auf den Bildschirm, das Kinn auf die Faust gestützt, angespannt und auch ein wenig hilflos. Welche Mühe es machte, selbst ein kleines Weingut zu führen, wurde ihm plastisch vor Augen geführt. Sie musste sich um die Kinder kümmern, hastete tagsüber vom Weinberg in den Keller und erledigte nachts die Buchhaltung, schrieb jetzt vermutlich Rechnungen und Lieferscheine. Er hatte sich dafür tagsüber Zeit nehmen können. Sauter hatte Frau Wackernagel. Und Susanne Berthold fehlte ein Mitarbeiter.
Sollte er ihr seine Hilfe anbieten? Wenn sie ihn ein zweites Mal abwies, würde er es nicht weiter versuchen und sich zurückziehen. Er wollte sich niemandem aufdrängen, eigentlich hatte
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