Tödlicher Steilhang
hörte unten die Schritte der Frühaufsteher und Gassigeher, Autos fuhren an. Das erinnerte ihn daran, dass wegen des zertrümmerten Wagens ein Gutachter kommen musste.
Und es erinnerte ihn an Susanne Bertholds interessante Frage: »Wieso schreiben Rocker mit Lippenstift eine Warnung auf ein Auto?«
Ihre Frage war berechtigt, der Lippenstift würde nicht als Beweismittel dienen, aber er konnte eine Richtung zeigen, in der die Täter zu suchen waren. Welche Art Lippenstift die Schwester von Frau Albers benutzte, daran erinnerte Georg sich nicht, es war an jenem Abend bereits dunkel gewesen, zwar nicht finster, jedoch hatte das gelbe Licht der Lampions die Farben verfälscht. Er sollte besser hinschauen, aber was nutzte das, wenn sich niemand an den Lippenstift auf der Windschutzscheibe erinnerte.
»Es kommt darauf an, ob eine Frau die Schrift von der Scheibe gewischt hat«, hatte Susanne Berthold dazu bemerkt. »Eine Frau erinnert sich besser daran. Hat eine Angestellte der ›Goldenen Gans‹ oder Frau Albers selbst das Auto geputzt?«
Georg stand bereits drüben in Sauters Küche und bereitete das Frühstück, als Frau Ludwig die Brötchentüte auf denTisch legte und sich besorgt erkundigte, ob er unter Schlafstörungen leide.
»Keineswegs«, antwortete er, es war die erste Lüge des Tages. »Ich habe schon immer gern Frühstück gemacht, für meine Töchter.«
Das war nicht gelogen. Das Frühstück war stets ein intimer Moment gewesen, trotz des mürrischen Gesichts von Jasmin. Es war ein Moment der Gemeinsamkeit mit seinen Kindern gewesen, der einzige des Tages, den Miriam mit ihrer notorischen Unzufriedenheit nicht gestört hatte. Wieso hatte sie nicht einfach sagen können, dass sie ihn nicht liebte, nie geliebt hatte, und sich scheiden lassen?
Sauters Abfahrt hatte sich weiter verzögert, erfuhr er von Frau Ludwig. Bereits vor der morgendlichen Arbeitsbesprechung nahm Klaus Georg verschwörerisch beiseite, die missbilligenden Blicke Bischofs in Kauf nehmend.
»Ich weiß jetzt mehr über Manfred.«
»Ich hatte dir verb… – gesagt, dich nicht einzumischen«, zischte ihn Georg an.
Der Azubi winkte ab. »Egal, aufs Ergebnis kommt’s an. Also, Manfred hat bei der letzten Versammlung wieder gehetzt, er wisse, wo einer der Topmanager vom Brückenbau wohnt, aber darum geht es nicht. Ich bleibe jedenfalls dran, ich tu so, als ob ich mitmachen würde.«
»Du kommst in Teufels Küche, genau das wollen sie«, sagte Georg und warf sich erneut vor, ihn in die Angelegenheit hineingezogen zu haben. Aber was sollte er machen? Würde er auf die Polizei setzen, würden sie nicht weit kommen.
»Manfred hat einen Bruder, das wissen wir. Der arbeitet bei einer Baufirma, die auch so Erdbewegungen macht, Aufschüttungen, Straßenbau, Abtransport von Erde mit Lkw an den Zufahrten zur Brücke, na ja und so, ich weiß nicht, wie das genau heißt. Jedenfalls sind sie dick im Geschäft und am Brückenbau interessiert.«
»Mach es kurz, wir müssen los. Wir sollen mit Bischof zur Vorführung dieser Geier-Raupe, was immer das ist.«
»Ich weiß, was das ist. Jedenfalls wollen die, so habe ich sie verstanden, Ihnen einen Denkzettel verpassen, so wie bei Menges, ›so wie in Ürzig, du weißt schon‹ hat einer der harten Biker zu Manfred gesagt. Er soll die Freunde von seinem Bruder wieder dazu ›einladen‹, Sie, also Sie, Herr Hellberger, sollten ordentlich was auf die Fresse kriegen, damit Sie sich raushalten.«
»Woher weißt du das, wie bist du an die Leute rangekommen?«
»Ich habe mich an die Biker rangemacht, an die harte Truppe, ich habe ihre Maschinen bewundert, da fahren sie total drauf ab, sie sahen meine und haben mir das abgenommen, und auch, weil ich mit Manfred aufgekreuzt bin und ihm nach dem Mund rede, Arschkriecherei nennt man das wohl. Er ist mir gegenüber nicht so vorsichtig. Manfred soll die Typen mit zum Campingplatz bringen. Die haben das natürlich nicht so klar gesagt, ich hab’s nur kapiert, weil ich die Hintergründe kenne oder sie mir vorstellen kann.« Klaus sprach flüsternd und schnell, als müsste er dringend sein Wissen loswerden. »Der Tille, der Schwager, der ist in alles eingeweiht, zumindest kriegt er alles mit, aber er sagt selten was. Der Chef ist er jedenfalls nicht, glaube ich. Der Chef muss ein anderer sein.«
Es wird Zeit, dass Pepe auftaucht, dachte Georg, dann habe ich einen Aufpasser für Klaus.
Zu dritt fuhren sie mit Bischofs Wagen an Pünderich vorbei über Zell bis
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