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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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nichts reinkommt, es brennt. Wie ist das passiert  – und noch dazu am ersten Tag? So ein Pech.«
    »Ich war oberhalb der Sonnenuhr, ich bin bis nach oben gestiegen, bis zum Waldrand, und auf dem Geröll weggerutscht.«
    »Das ist Ihnen hoffentlich eine Lehre. An Steillagen muss man sich gewöhnen. Da sind erfahrene Winzer tödlich verunglückt, zuletzt Heinz Schmitt aus Leiwen. Er stürzte mit Traktor und Spritzanhänger einen Weinberg hinab.«
    Georg verzog keine Miene, denn auch Frau Wackernagel hatte den Raum betreten, besonders ihr gegenüber wollte ersich keine Blöße geben, angeblich waren Männer wehleidig und konnten keinen Schmerz ertragen. Ihm machte das eigentlich wenig aus, Brüche, Prellungen und Verrenkungen waren beim Judo an der Tagesordnung, und wer das nicht ertrug, suchte sich einen anderen Sport. Tai-Chi war eine verletzungsfreie Alternative. Aber mit seelischen Schmerzen konnte er nicht umgehen.
    »Sie hatten recht, Herr Hellberger. Der Chef hat die Aktenordner mitgenommen. Er muss anscheinend etwas mit dem Anwalt klären.«
    Frau Wackernagel trat hinter einen der Stühle im Probierraum, der Tisch war für fünf Personen gedeckt. Sie wies auf einen der Plätze und bedeutete Georg, sich zu setzen. Hier aßen die Mitarbeiter, wenn weder Kunden noch Besucher im Hause waren, die Weine des Weingutes Sauter & Sohn probieren wollten. Es dauerte einen Moment, bis Georg begriff, was die Mitarbeiterin meinte.
    »In den Ordnern sind nicht nur die Prozessakten über den Fall Albers, sondern auch Urkunden, Dokumente und der juristische Schriftwechsel für das italienische Weingut, deshalb hat er sie dabei.« Sie setzte sich und schüttelte den Kopf. »Es ist ein Unding, was da passiert ist.«
    »Und was ist geschehen?«, fragte Georg mehr höflich als neugierig. Am Morgen hatte er sich nicht weiter für den Sachverhalt interessiert, Probleme hatte er selbst genug, er ertrank fast darin, da musste er sich die Schwierigkeiten anderer vom Leib halten. Deshalb wunderte es ihn, dass er sich für Sauter interessierte. Wieso hatte der vorgegeben, Albers lediglich flüchtig zu kennen? Beide führten, wie er es verstand, einen langwierigen Rechtsstreit um Land, und bei derartigen Prozessen lernte man den Gegner besser kennen, als einem lieb war.

    Frau Wackernagel ging zur Tür und horchte. Aus der Küche drang das Klirren von Geschirr.
    »Es ist wegen Klaus, unserem Azubi, er redet zu viel, und ich weiß nicht, was er rumerzählt, manches versteht er noch nicht richtig. Auf Ihre Diskretion kann ich mich verlassen?«, fragte sie.
    »Mit wem sollte ich darüber reden? Ich kenne hier niemanden.«
    »Ist ja auch gut. Der Chef meinte, ich soll Ihnen sowieso alles zeigen, da bekommen Sie mehr Einblick als genug. In der Maremma meinen Sie, was da passiert ist? Ich weiß es nicht genau, aber die dortigen Mitarbeiter haben wohl unsere Trauben  – Sangiovese ist es  –, Morellino di Scansano ist seit einigen Jahren ein DOCG-Gebiet, also eine geschützte Ursprungsbezeichnung …« Die Sätze kamen zusammenhanglos, als suche sie nach einem Einstieg für die Erklärung. »Morellino nennt man dort die Sangiovese-Traube, aus der Chianti gekeltert wird. Also, die haben anscheinend die guten Trauben vom Weingut schwarz und teuer verkauft, und für unseren Wein haben sie sich billige Trauben aus Süditalien beschafft, illegal. Wie das rausgekommen ist? Keine Ahnung. Vielleicht hat ein Mitarbeiter gepetzt, vielleicht hat ein Nachbar was gesehen, oder jemand will uns eins auswischen. Die Behörden fragen sich nun, ob der Chef das eingefädelt hat oder ob die Mitarbeiter die Sache allein ausgeheckt und neben dem Chef auch die Kunden betrogen haben. Ich verstehe diese Italiener nicht. Die probieren’s immer wieder  – wenn sogar dem Agrarminister krumme Geschäfte nachgesagt werden. Die können sich doch denken, dass so etwas rauskommt. Ständig hört man von derartigen Betrügereien. Ich möchte Sie bitten, kein Wort darüber zu verlieren, zu niemandem.«
    »Sie erwarten doch von mir keine Stellungnahme?«
    »Doch«, sagte eine ganz andere Stimme, und Georg drehte sich um.
    In der Tür stand Frau Ludwig, klein und resolut, und hieltin jeder Hand eine lange grüne Weißweinflasche, die Korken schauten aus dem Flaschenhals heraus.
    »Ich wüsste gern, was Sie trinken wollen, Herr Hellberger. Wir haben hier einen Riesling Classic, der ist etwas trockener«, sie hielt die zweite Flasche hoch, »das hier ist ein Kabinettwein, der

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