Tödlicher Steilhang
Kann ich ihm etwas ausrichten, wollen Sie seine Telefonnummer notieren?«
»Soll ich gehen?«, fragte Georg, er wollte nicht indiskret sein.
»Nein, bleiben Sie, ich fühle mich sicherer, wenn Sie dabei sind.«
Den Polizisten gefiel die Bemerkung nicht.
»Seit wann ist er dort?«, wollte Kollege Köhler wissen und starrte auf die Tageszeitung. Die Seite mit dem Bericht über den ertrunkenen Winzer war aufgeschlagen. Köhler wies seinen Kollegen Wenzel darauf hin.
»Herr Sauter ist erst heute Morgen gestartet, er wird momentan die Alpen durchqueren.« Frau Wackernagel blickte zur Biedermeieruhr an der Wand. Man hatte ihr ein elektrisches Innenleben verpasst, der Gong war stumm, das Ticken leise. »Jetzt sagen Sie mir bitte, bevor Sie weitere Fragen stellen, die ich gern beantworte, weshalb Sie ihn sprechen wollen.«
Die Polizisten verständigten sich mit einem Blick, Hauptkommissar Wenzel antwortete. »Die KriminalinspektionWittlich ist für diesen Landkreis zuständig, und wir sind zuständig für das Todesermittlungsverfahren. Es geht um Peter Albers.«
Georg erinnerte sich, er hatte den Namen »Wittlich« auf irgendeinem Schild kurz vor Verlassen der Autobahn gelesen.
»Wieso denn das?« Frau Wackernagel wirkte erschrocken. »Hier steht, Herr Albers sei ertrunken.« Sie griff zur Zeitung und hielt sie dem Kommissar hin. »Gibt es Zweifel?«
»Es ist reine Routine, dass wir hier sind.«
»Routine? So heißt es in jedem Fernsehkrimi. Da muss man sich ja hüten, was man sagt. Irgendetwas wird Sie wohl veranlasst haben, zu uns zu kommen.«
Ungefragt mischte Georg sich ein. »Sie fragen doch nicht blindlings alle Leute in der Gegend, meine Herren, und wenn der Ertrunkene in Bernkastel-Kues, also weiter flussaufwärts den Wagen hat stehen lassen, wie die Zeitung schreibt, dann müssten Sie sowieso erst dort …«
»Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«, meinte Wenzel spitz und trat näher an Georgs Schreibtisch und schaute in das Buch, das vor ihm auf dem Tisch lag. Georg hatte umgeblättert, die Seiten über das Licht verlassen und war zum Kapitel mit den verschiedenen Methoden des Rebschnitts gelangt. »In dem Artikel steht nichts vom Wagen. Woher wissen Sie das?«
»Er ist ein Freund des Hauses und hilft uns«, erklärte Frau Wackernagel. »Ich finde den Einwand berechtigt. Wieso kommen Sie ausgerechnet zu uns?«
Wenzel ging nicht darauf ein, Kollege Köhler hingegen stellte die nächste Frage. »Sie leben nicht hier, wie ich vermute. Wie heißen Sie? Seit wann sind Sie hier?« Der Beamte zückte einen Block.
»Er ist gestern Abend angekommen«, sagte Frau Wackernagel an Georgs statt. Sie wollte ihn aus dem Gespräch heraushalten, das merkten auch die Polizisten, das jedoch machtees für die beiden noch interessanter, weitere Fragen zu stellen.
»Ein Freund des Hauses? Was hat man darunter zu verstehen?«
»Herr Hellberger ist mit dem Chef …«
»Sie habe ich nicht gefragt«, fuhr Kollege Köhler die Vertriebsassistentin an, »der Herr kann Fragen stellen, demnach kann er auch selbst antworten. Also?«
»Ich mache hier Ferien, Herr Wenzel«, sagte Georg verbindlich. Es hatte keinen Sinn, mit Polizisten zu diskutieren. Sie waren vom Gesetz her immer im Recht, außer die Gesetze schadeten der Polizei selbst. Der Bürger war zweitrangig, besonders jetzt, wo die öffentliche Sicherheit immer mehr privatisiert wurde. »In der Zeit meines Aufenthaltes hier kümmere ich mich um den Weinbau. Und da ich Betriebswirt bin, arbeite ich mich auch in die geschäftlichen Belange des Weingutes ein.«
»Auch in den Rechtsstreit zwischen Stefan Sauter und Peter Albers?«
Georg war nicht erschrocken, dazu ging ihn das Ganze zu wenig an, allerdings war er erstaunt, dass die Polizei davon wusste. Ging sie, wie die Zeitung schrieb, wirklich davon aus, dass Albers ertrunken war? Möglicherweise vermutete sie ein Verbrechen, wenn sie bereits die persönlichen Hintergründe des Ertrunkenen ausleuchtete. Sie sind schnell, stellte Georg fest, das muss ich ihnen lassen. Doch woher wissen sie von dem Streit? In Bezug auf den in Bernkastel abgestellten Wagen hatten sie nicht weiter insistiert.
»Von einem Rechtsstreit weiß ich nichts, wie gesagt, ich bin erst gestern angekommen.«
»Aber als Freund des Hauses können Sie durchaus davon wissen, wenn der Winzer Sie ins Vertrauen gezogen hat. Und – hat er das?«
»Das sind Interna, die Außenstehende nichts angehen«, sagte Frau Wackernagel, sie wollte Georg aus der
Weitere Kostenlose Bücher