Tödlicher Steilhang
geworden – und ging links um das Haus, in dem er selbst wohnte. Im Erdgeschoss war die Versicherungsagentur, der erste Stock war vermietet, und darüber befand sich sein Apartment.
Vor der Einfahrt zur Kellerei stand der Lieferwagen mit der Aufschrift des Weingutes. Daneben stand ein in Rot und Weiß lackiertes Motocross-Motorrad, am Lenker hing ein Integralhelm. Die Maschine gehörte sicherlich dem Azubi, vermutete Georg und sah sich vor einem Tor, groß genug, um Lieferwagen und Traktor durchzulassen. Sauter hatte eine geschickte Lösung gefunden. Den Zwischenraum zwischen Haus und Weinberg hatte er überdachen lassen und dadurch die Kelterhalle gewonnen, die gleichzeitig als Garage für seine Maschinen diente.
Rechts, an der Seite zum Weinberg, befand sich über einer langen Wanne ein großer waagerechter Zylinder aus Edelstahl. Von den links aufgereihten Maschinen konnte Georgnur den Gabelstapler und den Traktor identifizieren, die Funktion der anderen Geräte erschloss sich ihm nicht. Die dahinter gestapelten orangefarbenen Plastikkisten reichten bis zur Decke, daneben standen grüne, fast einen Meter hohe, konisch zulaufende Plastikkiepen.
»Wir nennen sie Hotten.« Klaus trat aus dem Dunkel der Halle. »Wenn Sie bis zur Lese bleiben, können Sie die Dinger mal den Berg raufschleppen. Die fassen bis sechzig Liter.«
»Das klappt schon«, meinte Georg zuversichtlich und dachte an sein Krafttraining. Der Gedanke hatte sogar etwas Anziehendes, wenn er sich körperlich forderte, musste er nicht nachdenken.
»Aber mittlerweile lesen wir die Trauben meistens in den Kisten. Die sind leichter, sie stehen sicherer, und man hält länger durch, außerdem lassen sie sich gut transportieren. Der größte Vorteil ist aber, dass die Trauben sich nicht gegenseitig quetschen und vorzeitig gären. Haben Sie mal bei einer Lese mitgeholfen?«
»Noch nie«, gestand Georg und fand den Gedanken faszinierend, dass alles ineinandergriff und das Ergebnis von einem Jahr Arbeit eingefahren wurde.
»In etwa einem Monat ist es so weit. Stellen Sie sich das nicht einfach vor. Die Sonne knallt, und der Weinberg ist aufgeheizt, das Ganze bei einer Steigung von fünfzig Grad, da macht mancher schlapp. Für die Terrassen gibt es die Monorackbahn, aber nicht hier bei uns, mehr an der Terrassenmosel. Sind Sie mal mitgefahren?«
Weder war Georg damit gefahren, noch wusste er, worum es sich handelte. Er schüttelte den Kopf, was dem Jungen als Antwort genügte.
»Also, wir beginnen jetzt die Führung. Ich erkläre Ihnen kurz den Ablauf.« Seinem ernsten Gesicht nach war ihm Georgs Einweisung sehr wichtig. »Wenn die Trauben aus dem Weinberg kommen, werden die Beeren vom Stilgerüst entfernt, da drüben steht die Maschine zum Abbeeren«, er zeigteauf ein anderthalb Meter langes Gebilde aus Edelstahl. Die Abdeckhaube war zurückgeklappt und ließ eine etwa einen Meter lange durchlöcherte Edelstahlröhre von dreißig Zentimeter Durchmesser sehen.
»Eine Schnecke schiebt die Trauben durch die Röhre, da fallen die Beeren durch die Löcher in die Wanne darunter. Dabei werden die Trauben gequetscht oder aufgebrochen. Für einen unserer Weine pressen wir die Trauben mit den Rappen. Das ist für uns neu – früher wurde das immer so gemacht. Aber der Wein kann hart werden, es kommt zu viel Tannin rein, wenn der Pressdruck zu stark ist. Dann machen wir auch Kaltmazeration … aber das ist schon ein wenig zu viel für Sie!?«7
Dass ein Auszubildender, halb so alt wie er, über seine geistigen Fähigkeiten urteilte, und das mit einem Ernst, den er dem Jungen nie zugetraut hatte, verblüffte ihn, und er fand es in gewisser Weise auch amüsant. Georg konnte sich das Grinsen nicht verbeißen.
»Machen Sie ruhig weiter«, sagte er.
Klaus tat es gern. »Jedenfalls kommt es auf den Kontakt des Mostes mit den Schalen der Beeren an. Dann kippen wir die Maische in die Presse, das ist dieser große Zylinder hier. Innen wird ein Luftsack aufgeblasen, der drückt langsam den Saft aus der Maische. Der läuft unten in die Wanne und von da aus durch ein Rohr im Boden in einen Absetztank im Keller – zur Vorklärung – und dann weiter in die Gärfässer.«
Um Georg diesen Vorgang zu demonstrieren, forderte ihn der Azubi zum Mitkommen in den Keller auf. Er wies im Vorbeigehen noch auf die Abfüllanlage, die er ihm morgen erklären würde, wenn sie in Betrieb sei, sie begännen um sieben Uhr, er könne zusehen und auch mithelfen.
»In der Praxis
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