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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Holzfässer und dann wieder kleinere Edelstahltanks?«
    Er zeigte auf die mächtigen blank geputzten Gebilde. Sie waren leer, ihre Verschlussklappen lagen innen, und die Öffnungen erschienen Georg wie aufgerissene, hungrige Mäuler, die darauf warteten, gefüllt zu werden.
    »Ist doch logisch!« Klaus konnte sich anscheinend nicht vorstellen, dass jemand nicht begriff, was hier nötig war. »Von einer Lage ernten wir viel, von einer anderen wenig und von anderen wieder massenhaft. Deshalb nehmen wir verschieden große Fässer, Stückfässer von eintausendzweihundert Liter oder ein Halbstück mit sechshundert Liter sind aus Holz, die noch größeren sind alle aus Kunststoff und Edelstahl. Fünftausend Liter fasst unser größter Tank für den Gutswein.«
    »Von wem haben Sie das alles gelernt«, fragte Georg, »von Bischof oder Herrn Sauter?«
    Der Junge rümpfte die Nase. »Das ist mein Beruf«, sagte er ein wenig hochtrabend. »Ich bin mit Wein aufgewachsen. Meine Eltern waren Winzer im Nebenerwerb, das sind sie noch, wir bauen Trauben an und verkaufen sie. Ich fand das immer viel zu schade, es ist verlorene Mühe, deshalb habe ich schon früh einen kleinen Teil unserer Trauben beim Nachbarn verarbeitet, der hat mir einen kleinen Gärtank geliehen, und ich habe rumprobiert. Aber Bischof, der Idi…«, Klaus verkniff sich das Wort, »der will’s nicht wahrhaben. Er meint, dass wir Jungen alle blöd sind. Nur er hat’s drauf!«
    »Das ist recht kurzsichtig von ihm«, sagte Georg vorsichtig. »Mit Frau Wackernagel streitet er auch, aber er hat auch Respekt vor ihr.«
    Klaus lachte. »Klar, weil er scharf auf sie ist und sie gut aussieht. Da kann sie in seinen Augen nur blöd sein, er hält alle gut aussehenden Frauen für blöd. Er hält eigentlich alle Leute für blöd. Und gleichzeitig glotzt er sie an.«
    »Und wie kommt er mit dem Chef aus?«
    »Vor dem steht er stramm. Ich glaube, er hat zu Hause nichts zu melden, deshalb tobt er sich hier aus, seine Alte hat Haare auf den Zähnen, sagt Frau Ludwig, die kennt sie, ich habe sie nie gesehen. Aber wer mit so einem verheiratet ist …«
    Für Klaus war die Welt so, wie er sie sah. Mit der Zeit würde Georg die Figuren auf Sauters Schachbrett begreifen und ihre Züge. Es war ihr Spiel, nicht seines, es war besser, sich nicht zu äußern, er wusste nichts von den Beziehungen der Mitarbeiter untereinander, er würde sich mit irgendwelchen Kommentaren nur in die Nesseln setzen. Nach den Ausführungen des Jungen musste Bischof auch ihn für »absolut blöd« halten. Es würde nicht leicht mit dem Kellermeister sein. Ebenso war Klaus’ vorlaute Art, auch wenn er das Herz auf dem rechten Fleck hatte und auf der Zunge trug, gewöhnungsbedürftig.
    Um von diesem Thema abzulenken, fragte Georg, was denn mit dem Wein geschehe, wenn er die Gärung, die erste oder zweite, die Malo, durchlaufen habe.
    »Dann bleibt er noch eine Weile liegen, ruht sich aus, reift, wird geklärt, gefiltert, stabilisiert, das wird Ihnen alles wenig sagen, aber im Dezember sind Sie um einiges weiter.«
    »Das ist alles, mehr passiert nicht?« Jetzt sah Georg, dass Klaus ihn für »blöd« hielt, aber es war ihm gleichgültig.
    »Wir können ja mal über Anreicherung mit Zucker reden oder über Entsäuerung – oder nehmen wir das Thema Rotwein. Ja, reden wir über Ausbau im Barrique, im Eichenholzfass, über Mikrooxidation – neuerdings keltern wir auch ein wenig Spätburgunder. Das machen der Chef und ich allein. Bischof mauert, er meint, die Mosel sei Rieslingland, seiWeißweinland und müsse es bleiben. Ich finde, man soll anbauen, was man will, erlaubt ist es ja. Und was der Becker-Steinhauer an Rotwein macht, müssen Sie probieren, einfach klasse, schlicht, gut und bezahlbar, so in etwa auf unserem Niveau, drei Trauben im Gault Millau. Es muss ja nicht gleich Molitor sein, mit der Beste hier, obwohl ich den auch gerne probieren würde. Aber das kann ich mir nicht leisten.«
    »Lohnt sich das? Ist das Weingut in der Nähe?« Wenn dem Jungen wirklich was daran lag  – am Geld sollte es nicht scheitern, und Georg hätte sich selbst gern einige gute Flaschen Rotwein besorgt. Das eine oder andere Glas am Abend würde ihm das Einschlafen erleichtern. Gestern war er todmüde gewesen, hatte trotzdem eine Schlaftablette nehmen müssen und fürchtete bereits jetzt schon den Abend, die Stille und seine Einsamkeit; er war beziehungslos wie ein abgesägter Ast. Wie dumm, dass er ihn selbst abgesägt

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