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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Nordseehäfen und den jeweiligen Ballungsräumen gehe. Die Landesregierung spricht von der Entlastung des Moseltals vom Schwerlastverkehr. Bitte, wo gibt es denn hier Schwerlastverkehr, außer Lastwagen, die uns mit Lebensmitteln versorgen oder leere Flaschen bringen und sie mit Wein gefüllt wieder abholen? Bei Mülheim quälen sie sich den Hang rauf. Genau da hätte man eine kleine Lösung schaffen können. Weiter heißt es, das Projekt habe strukturpolitisch eine herausragende Bedeutung, es sei eines der wichtigsten großräumigen Verkehrsprojekte bundesweit.«
    Das nächste Argument betraf das Erschließen der westlichen Eifelregionen, zuletzt führte Menges das Totschlagargument mit den Arbeitsplätzen an.
    Georg hatte noch im Ohr, wie Baxter die Löhne der Mitarbeiter gesenkt hatte, um ihre Arbeitsplätze zu sichern, und dann kamen die Entlassungen. Es war die Absurdität schlechthin, dass mit dem angeblich alternativlosen Abbau von Arbeitsplätzen neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, soabsurd wie die Aufforderung, etwas zu kaufen, um zu sparen. Wie sehr verachteten Politiker die Bevölkerung, um sie derart zu belügen? Der Bürger kuschte, er hatte sich an Scheinargumente gewöhnt. Dass COS wegen der niedrigen Löhne immer weniger Arbeitskräfte für die einfachen Aufgaben fand, stritt Baxter rundweg ab. »Den Leuten geht es längst nicht schlecht genug, sonst würden sie jeden Job klaglos akzeptieren.«
    Gerade jetzt sah Georg das blasse, ewig grinsende Gesicht von Baxter vor sich, ausgemergelt und lustfeindlich, sein eckiges Kinn, durchsetzungsstark wie ein Rennfahrer oder ein US-Marineoffizier. Er kannte diese Spezies vom Wehrdienst in der Marine her, und bei COS waren mit Baxter auch zwei weitere Männer aus den USA eingerückt – für Informationsaufgaben, wie es hieß.
    Aber das bewegte ihn jetzt kaum noch. Viel wichtiger war die Frage geworden, warum er das alles vorher nicht bemerkt hatte und wieso er es jetzt sah. Weil die äußeren Umstände anders geworden waren, weil sie eigene Entscheidungen von ihm forderten? Er hatte Probleme zu lösen, Aufgaben stellten sich, neue, schier unlösbare Aufgaben. Und es gab keine Antworten. Er verlor den Boden unter den Füßen, schien zu schwimmen, seine Gedanken schweiften ab …
    Er hatte nicht aufgepasst. Menges war in seinem Vortrag beim Thema »Entlastung von Lärm und Abgasen« angekommen.
    »… ein wichtiges Argument der Befürworter habe ich vergessen anzuführen«, sagte er mit ernster Miene. »Unsere ausländischen Nachbarn werden mit ihren Wohnwagen viel häufiger kommen, um bei uns Ferien zu machen, da die Fahrt der Brücke wegen kürzer wird. Dabei fahren sie gar nicht über die Brücke.«
    Als das Gelächter verklang, trat der Advocatus Diaboli von der Palettenbühne ab, statt seiner übernahm eine junge Frau den Part der Brückengegner: Die Antwort darauf, wieso der Tourismus zunehmen sollte, bleibe man schuldig.»Die Touristen werden ganze fünf Minuten Fahrtzeit sparen, wenn sie die Brücke nutzen. Werden deshalb mehr kommen, werden Hotels und Kellereien, wie es uns die Politiker versprechen, einen nie da gewesenen Aufschwung erleben? Nein. Die Touristen fahren hinter Wittlich auf der Eifelseite ins Tal und sind froh, angekommen zu sein. Und ihren Wein, wenn sie denn welchen kaufen, den kaufen sie beim Discounter.«
    Die junge Frau bemängelte, dass viele technische Fragen nicht beantwortet seien, dass man nicht wisse, wie Gutachten zustande kämen, dass die französische Baufirma (mit Sitz in Hannover) aus einem deutschen Konjunkturprogramm bezahlt werde, denn erst mit der Konjunkturförderung nach der Bankenkrise sei der Bau wieder aufgenommen worden … und so nahm sie ein Argument nach dem anderen auseinander. Schließlich musste sich jeder der im Hof Versammelten fragen, warum die Brücke überhaupt gebaut werden sollte.
    »Wenn Sie den Verlautbarungen der Landesregierung lauschen, werden Sie kein Sterbenswörtchen über die militärische Geschichte hören, nichts über sinkende Passagierzahlen auf dem Flugplatz Frankfurt-Hahn, wo man sich nicht scheut, die Statistiken mit den nach Afghanistan umsteigenden US-Soldaten zu schönen. Die werden allen Ernstes mit eingerechnet. Sie hören nichts über sinkenden Frachtumschlag, überhaupt nichts über die Eingriffe in den Wasserhaushalt unserer bedeutendsten Weinlagen zwischen hier und Bernkastel-Kues. Da wachsen mit die besten Rieslinge in Deutschland. Und vom Rutschhang und von mangelhaften

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