Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
Vom Netzwerk:
Winzers hatten ihn noch wacher gemacht.

8
    Aus dem Latein- und Geschichtsunterricht hatte Georg eine tiefe Abneigung gegen römische Geschichte behalten. Trotzdem fuhr er ein Stück flussabwärts bis zur historischen Kelteranlage gegenüber von Erden. Der Hang dahinter musste bereits zu Beginn der christlichen Zeitrechnung mit Reben bepflanzt gewesen sein, sonst hätte sich eine derartig große Kelter nicht gelohnt. Sie war eine von vielen, die an der Mosel gefunden worden waren.
    Alle lagen in direkter Umgebung bis heute genutzter Flächen, wie Georg einer Broschüre des Landesmuseums Trier entnommen hatte. Diese Kelter hier befand sich direkt am Fluss. So konnte der Wein verschifft werden, auch zu den Legionen, denen täglich ein gewisses Quantum zugestanden hatte. Als Mutmacher oder um den Eingeborenen vom Stamm der Treverer besser den Schädel zu spalten? Die Kelten hatten bereits vor Ankunft der Römer Wein getrunken, gepresst und vergoren aus heimischen Wildreben. Dumpf in den Wäldern hockende Barbaren waren sie jedenfalls nicht gewesen, dazu war ihre Technik zu entwickelt und der Widerstand gegen die römischen Truppen zu konsequent gewesen. Das hatte er gern gelesen, denn er fühlte sich in diesem Zusammenhang durchaus als Germane.
    Die Ausmaße der Anlage zeigten, dass große Mengen an Trauben dort verarbeitet worden waren, denn die Kelter war gewaltig. In einem Becken waren die Trauben gesammeltund getreten, der auslaufende Most in einem zweiten Becken gesammelt, in einem dritten die Maische gepresst worden. Ob man den Most hier gären ließ und in welchen Gefäßen, ob er gleich abtransportiert worden war, blieb offen. Ob er eingedickt und dann wieder mit Wasser verdünnt worden war, geräuchert und welche Gewürze ihm zugesetzt worden waren, war sicher auch damals Sache der Kellermeister gewesen. Den Wein pur zu trinken war etwas für Säufer, wie ein Lateinlehrer unter den Besuchern wusste, dem Georg trotz seiner Abneigung diskret gefolgt war.
    Nach einer Weile störte ihn das Gewusel der Touristen, weil er sich zurzeit in jeder Ansammlung von Menschen bedrängt fühlte. Er würde an einem ruhigen Tag wiederkommen, außerdem stand er ständig jemandem beim Fotografieren im Wege, jeder wollte sich vor der Kelter ablichten lassen.
    Hinter dem Parkplatz begann der Aufstieg zum Erdener Treppchen, über schmale Pfade an winzigen Terrassen mit Natursteinmauern entlang. An unwegsamen Stellen und steilen Abhängen halfen eiserne Treppen weiter. An besonders steilen Parzellen fand er eine bisher nirgends gesehene Art der Rebenerziehung. Auf einen halbhohen Stecken war eine Art Lenkrad aufgesetzt, durch die Speichen wuchsen die Triebe des Weinstocks und hingen mit den reifenden Trauben außen herunter. Klaus oder Bischof würden wissen, was der Sinn dieser Erziehungsmethode war.
    Momentan jedoch stand Georg der Sinn weniger nach anstrengender Kletterei als danach, den Blick zu genießen und den Kopf freizubekommen. Deshalb suchte er sich den bequemeren Weg, wo er nicht auf jeden Tritt achten musste. Asphaltierte Straßen führten auf unterschiedlicher Höhe am Weinberg entlang, feste Mauern mit eingelassenen Treppen sicherten die Hänge gegen das Abrutschen. Je höher Georg hinaufstieg, desto mehr erschloss sich ihm das Tal, das ihm anfangs als eng erschienen war, aber ihn nicht einengte. Der Fluss schuf Bewegung, es gab genug Raum zum Ausweichen,flussabwärts wie flussaufwärts, und nach jedem Höhenmeter war der Blick anders und faszinierend im Kontrast von Enge und Weite, von Bewegung im Wasser wie am Himmel. Und je weiter er hinaufstieg, desto blauer färbte der Himmel die Mosel.
    Er setzte sich und beobachtete Eidechsen, die sich im Sonnenschein jagten und mit den Köpfen wackelten. Er sah die Camper und Wohnwagen am flachen grünen Ufer auf der anderen Seite, am Gleithang, wie es hieß. Schönwetterwolken zogen durch den Himmel und ließen ihn vergessen, dass dort unten vielleicht die Wächter von COS warteten. Er wäre gern mit Rose hier heraufgekommen. Jasmin maulte bereits nach fünf Schritten, sie wäre bestimmt mit ihrer Mutter im neuen Restaurant »Moselschild« in Ürzig geblieben, das man ihm empfohlen hatte.
    Bei dem Gedanken meldete sich sein Hunger mit Macht. Georg hatte auf Menges’ Hof essen wollen, doch dessen Fragen und Klaus’ vorwurfsvolle Haltung hatten ihm den Appetit verdorben und das Gefühl verliehen, überflüssig zu sein.
    Hier auf dem Berg war ihm die Zeit entglitten, die

Weitere Kostenlose Bücher