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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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stammten einige aus der näheren Umgebung.
    Der Dunst über dem Platz war nicht ganz so penetrant wie neulich, das Fett der Fritteuse musste ausgetauscht worden sein. Der Unterschied zum Restaurant des Schwagers konnte nicht krasser sein. Obwohl ihm dieser Platz nicht behagte, setzte sich Georg auf einen Blechstuhl an einen wackligen Tisch am Rand der nahezu voll besetzten Terrasse. Von seiner Gegenwart nahmen weder die Biker noch die Gäste des Campingplatzes Notiz, er fiel nicht auf, war passend angezogen, trug über dem weißen T-Shirt das verwaschene Jeanshemd und die alte schwarze Cordhose. Die Lederschuhe hatte er bewusst im Schrank gelassen, nach Tagen in Stiefeln waren die weichen Sportschuhe eine Erholung. Er rückte den Stuhl so, dass er selbst im Dunkeln blieb und dabei die Motorräder und das abendliche Gewimmel der Feriengäste überblicken konnte.
    Die Stimmung war bestens, das Wetter gut, es gab was zu schwätzen, und die Männer hatten eine Flasche Bier vor sich. Die Frauen blieben unter sich, und sie waren vielseitiger in ihren Ansprüchen, die eine oder andere hatte eine Schorle oder ein Glas Wein vor sich stehen.
    Die Biker waren eine besondere Gruppe, abseits der anderen. Der Wirt bediente sie persönlich, wohl eigens dazu hatte er sich äußerlich angeglichen und eine schwarze Lederweste übergezogen, die leicht ordinär wirkte. Er war zu alt für diese Kluft, in der er irgendetwas darstellen wollte. Georg bestellte ein gezapftes Bier, aber es gab heute nur Flaschen, eine Leitung war defekt, zumindest war es Bitburger, das war gut und kam aus der Gegend. Dem Publikum gefiel es.
    Die Pommes frites waren besser als erwartet, ähnlich das Schnitzel, das ein wenig herzhafter hätte sein können, zumindest hatte die Panade das Fleisch nicht austrocken lassen. Der Salat war sogar gut: Lollo rosso mit Tomaten, roten Zwiebeln, grünen Oliven, Salatgurke und Schafskäse. Das Dressing allerdings kam in einem Plastikstreifen. Als Georg ihn aufriss, spritzte die Hälfte auf den Tisch. Mit der zweiten Hälfte verschmierte er sich die Finger.
    Er stand auf und suchte nach dem WC-Hinweis. Dieser hing unter dem Dach und wies den Weg rechts um das Gebäude herum, dabei bemerkte Georg erst jetzt, dass der hintere Teil des Campingplatzes im Dunkeln lag. Die von den Lichterketten beschienenen Wohnwagen leuchteten in buntem Weiß, Zeltwände in pastelligen Grautönen standen wie aufgestellte Pappen vor dem dunklen Hintergrund des Weinbergs. Es war unheimlich und skurril zugleich, wie ein abstraktes Bild in Blau, Grau, Schwarz, Anthrazit mit einem Schimmer Grün. Das Silber der Wasserfläche sah man nur, wenn man wusste, dass dort hinten die Mosel floss. Hoch darüber stand die Silhouette der Marienburg.
    Zurück von der Toilette, auch die hatte er schlimmer erwartet, blieb er stehen und betrachtete die Gäste und fragte sich, ob er sich nicht lieber irgendwo dazusetzen sollte. Aber zu wem? Frau Berthold war natürlich nicht da. Wenn sie immer so abweisend war wie im Moment, war ihm wenig daran gelegen, sie näher kennenzulernen. War ihre Sprödigkeit der Grund, weshalb der Mann verschwunden war, »weg« war,wie Kilian es ausgedrückt hatte? Weg wie er selbst aus Hannover? Oder war es eine Folge seines spurlosen Verschwindens, der Angst, dass er einem Verbrechen zum Opfer gefallen war? Das mochte eine Erklärung sein. Hatte sie ihn verschwinden lassen? Unsinn … Aber wer begriff schon, was auf dieser Welt vor sich ging?
    Georg tunkte die Pommes in die Majo und dachte an Sauter. Auf ihn war er neugierig. Er war von der Selbstverständlichkeit, die sein Handeln prägte, sehr angetan. Er hätte gern mit ihm über seine Situation gesprochen, ihm mitgeteilt, wie er dieses neue Leben empfand, das ihn in sich hineinzog. Und in der Ecke seines Gehirnkastens saß der Gedanke oder die Erkenntnis, dass er wieder jemanden suchte, der ihm sagte, was gut für ihn war, der ihm Entscheidungen abnahm. Und wieder fragte er sich, warum Sauter so unverständlich auf Albers’ Tod reagiert hatte.
    Ziellos schweifte sein Blick über die Terrasse, hakte sich an dem Schwager in der Lederweste fest und folgte ihm zu den Männern in Leder. Es waren zwei Gruppen, die sich erst bei genauerem Hinsehen unterschieden. Er hatte lernen müssen, Gruppen zu beurteilen. Manche Fans hatten sich zusammengerottet, um die Bühne zu stürmen, andere schlossen sich spontan an, das musste man erkennen, bevor es zum Konflikt kam. Eine Gruppe war gewöhnlich,

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