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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Anrecht darauf haben. Meine Mutter ist halt nur die kleine Schwester, aber sie hat damals den besseren Mann geheiratet, will heißen, den wohlhabenden. Und jetzt meint er, weil er mit ihrer großen Schwester verheiratet ist, könne er die Ansagen machen, er hält sich für eine Art Familienoberhaupt. Wir sollen verschwinden, das Weingut sei für uns genug. Außerdem könne nur er den Laden vor der Pleite retten, der stehe jetzt seiner Frau zu. Ich weiß nicht, ob er nur deswegen meine Tante geheiratet hat. Verstehen Sie? Die eine heiratet den Hotelbesitzer und Winzer, die andere den Pächter vom Campingplatz. Meine Tante ist ewig unzufrieden, dass Tille nicht mehr auf dem Kasten hat. Das verwindet er nicht. Aber kommen Sie rein. Ich heiße Patrick.« Er hielt ihm die Hand hin. »Ich bin wahnsinnig froh, ich weiß nicht, was die mit mir gemacht hätten, wenn Sie nicht aufgetaucht wären.«
    »Nichts«, sagte Georg, »sie wollten Ihnen lediglich Angst machen.« Der junge Mann gefiel Georg, seine offene Art und auch, wie er in knappen Worten die Lage erklärt hatte. »Der zweite Schritt folgt später. Der wird härter, aber da sie nicht wissen, wer Sie unterstützt, also wer ich bin, werden sie vorsichtig sein.«
    Sie betraten das Restaurant und setzten sich im Dunkelnan einen Tisch mit Blick auf die Straße. Von draußen fiel das gedämpfte Licht der Straßenlaternen in den Speiseraum, irgendwo summte eine Kühlanlage, Stand-by-Lämpchen blinkten. Von ihrem Fensterplatz aus konnten sie sehen, wer auf der Straße unterwegs war und was auf dem Parkplatz vorging. Georg sah sogar von hier aus die Lampions vom Campingplatz. Er musste auf Nummer sicher gehen. Die Biker waren keine Engel, aber sie gehörten auch nicht zu den Hells Angels oder Bandidos. Doch vielleicht wären sie gern dabei. Wenn sie tranken oder sich anstachelten, waren Grobheiten nicht ausgeschlossen. Er erinnerte sich an eine Nacht nach einem Open-Air-Konzert in Verden, wo aufgebrachte Fans ihren Kleinbus auf der Rückfahrt mit Steinen beworfen hatten. Zum Glück war niemand verletzt worden.
    »Wein oder Bier?«, fragte Patrick.
    »Wein«, sagte Georg, um sich die Gelegenheit zum Probieren nicht entgehen zu lassen. Er hörte das Geräusch des brechenden Drehverschlusses, dann kam Patrick mit der Flasche und zwei Gläsern zum Tisch, schenkte ein und setzte sich, und gemeinsam starrten sie in die Nacht. Es war dreiundzwanzig Uhr, Pünderich schlief, nur der Späher vom Campingplatz schlich weiter ums Gebäude. Ein weißes und ein rotes Licht glitten weit draußen an ihnen vorbei, beides verschwand hinter Bäumen, um sofort wieder aufzuleuchten. Ein Motorschiff war flussaufwärts unterwegs.
    »Ist es sicher, dass Ihr Vater durch eigenes Verschulden verunglückt ist?«, fragte Georg in die Stille hinein.
    »So, wie Sie fragen, zweifeln Sie daran.« Patrick sah ihn an, als fürchte er sich vor der Antwort.
    Anders als früher, wo er sofort getrunken hatte, führte Georg das Glas jetzt zuerst an die Nase, ohne zu nippen. Riesling  – was sonst. Das typische Aroma von Äpfeln und Aprikose, anders als der Wein, den er neulich hier getrunken hatte. Das Zögern verschaffte ihm die Pause zum Nachdenken über eine passende Antwort.
    »Es geschieht zu vieles gleichzeitig, das scheinbar oder anscheinend nicht zusammenpasst, aber zusammenfällt und eventuell zusammengehört. Da stürzt Ihr Herr Vater ins Wasser und ertrinkt, ein Moselaner, erfahren, am Fluss aufgewachsen, wie ich gelesen habe. Eine Woche danach stürzt ein Winzer eine Klippe hinunter und bricht sich das Genick, ebenfalls ein erfahrener Mann, Steillagenwinzer, in der dritten oder vierten Generation. Die Weinstöcke direkt an der Klippe waren angesägt. Sie, Herr Albers, werden bedroht, und Sie wissen anscheinend, von wem.«
    »Die Biker hängen immer am Platz rum, sie arbeiten ab und zu für meinen Onkel. Was sie tun, will ich nicht wissen.«
    »Herr Menges wurde ebenfalls bedroht, sogar verprügelt. Er hat mich damit beauftragt herauszufinden, von wem – am selben Abend ist er tot. Ich möchte nicht, dass sich das Gleiche wiederholt.«
    Patrick wirkte erschrockener als in dem Moment, als die Männer vor ihm gestanden hatten. »Sie wollen darauf hinaus, wer vom Tod meines Vaters profitiert? Wir, meine Mutter und ich natürlich, meine Geschwister. Meine Mutter erbt die Hälfte, wir drei Kinder von der Hälfte je ein Drittel. Meine Schwester lebt in Würzburg, sie ist da verheiratet, weit weg von der

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