Tödlicher Steilhang
ob er dumm ist oder ob was anderes dahintersteht, werden wir erfahren.«
»Wie kommen Sie darauf?« Klaus war geradezu entsetzt.
»Mein Eindruck ist, dass der Junge Streit sucht, aber keine Lösungen.«
»Sagen Sie doch was, sagen Sie das laut«, drängte ihn Klaus.
»Was soll er laut sagen?« Manfred hatte den letzten Satz in der nachdenklichen und auch hilflosen Stille gehört. »Wer ist der Mann? Was machen Sie hier? Sie sind gar kein Mitglied unserer …«
»Er ermittelt … die Schläger, die Herrn Menges … er arbeitet auf unserem Weingut, bei Stefan Sauter.« Klaus sprang für Georg in die Bresche.
Das Wort »ermittelt« reichte dem jungen Mann mit denschwarzen Locken und dem herrischen Ausdruck. Er warf sich in Pose und vergewisserte sich seiner Wirkung besonders bei dem Mädchen mit dem Madonnengesicht, eine Achtzehnjährige mit glänzendem Haar, die ihn wie einen Heiligen anhimmelte.
»Ein Ermittler? Ein Polizist? Hier in unserer Mitte? Wer hat das … erlaubt, wer gestattet oder veranlasst das? He?«
Georg konnte sich das Grinsen nicht verbeißen, er fand es reizend, nein, rührend, wie der Redner sich aufplusterte, um sich vor dem Mädchen darzustellen. Er hatte schon vermutet, dass er …
»Ich habe das gewusst«, sagte der eben gewählte Vorsitzende. »Ich habe nichts dagegen. Es kann nur in unserem Interesse sein, dass ein Unabhängiger die Aufgabe übernimmt, der die örtliche Polizei nicht gewachsen scheint.«
Manfred argumentierte dagegen, sprach sich gegen jede Einmischung aus und Georg jegliches Vertrauen ab. Es wirkte grotesk, wie er zuletzt sogar eine Abstimmung darüber forderte, dass Georg die Versammlung verließ.
Für ihn war der Punkt erreicht, selbst die Entscheidung zu treffen. Er ließ sich nicht schon wieder hinauswerfen.
»Ich gehe mit«, sagte Klaus, und es war ihm ernst.
»Sie bleiben schön hier«, flüsterte ihm Georg zu. »Ich brauche jemanden, der auf diesen Schwätzer aufpasst. Merken Sie sich, was er sagt, wie er argumentiert und ob er weiter auf diesem radikalen Stuss herumreitet und die gesamte BI zu wer weiß was aufstachelt.«
Es würde Georg nicht wundern, wenn von interessierter Seite ein Agent Provocateur eingeschleust worden wäre.
12
Georg ärgerte sich nicht über seinen unrühmlichen Abgang, ganz im Gegenteil. Er war diesem Manfred geradezu dankbar. Er brachte eine neue Wendung ins Spiel, einen weiteren Ansatzpunkt. Das Treffen war aufschlussreich gewesen, leider war Frau Berthold nicht erschienen. Hatte sie zu viel um die Ohren, mit Kindern, Betrieb und einem kranken Mitarbeiter? Und er glaubte, dass sie Sorgen hatte, der Betrieb stand, wie er herausgehört hatte, finanziell nicht auf gesunden Beinen.
Es wurde dunkel, die Tage wurden bereits merklich kürzer, obwohl es hier im Westen länger hell blieb. Georg graute vor dem Gedanken, sich in sein Apartment zu verziehen und eine Pille einzuwerfen. Die Arbeit auf dem Weingut und der Tod der beiden Winzer lenkten ihn von seinen sonstigen Sorgen ab. Sie füllten seine Leere. Wie zynisch! Sollte er sich besser mit den Wächtern von COS prügeln?
In manchen Momenten stand ihm der Sinn danach, um sich zu schlagen. Aber danach müsste er zwei Pillen einwerfen, um sich zu beruhigen. Außerdem erinnerte ihn sein knurrender Magen daran, dass er seit acht Stunden nichts mehr gegessen hatte. Er würde das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und in der »Goldenen Gans« der Familie Albers zu Abend essen und es sich mal wieder gut gehen lassen. Es wäre nicht verkehrt, mit dem Sohn oder der Frau einige Worte zu wechseln und sich umzuhören – beiläufig und unauffällig.
Der Parkplatz neben dem Hotelflügel war nur zur Hälfte belegt, das Gasthaus dunkel. »Heute Ruhetag« stand auf einem Schild am Eingang. Aber unten am Fluss, an der Frittenbude des Schwagers neben dem Campingplatz, brannten Lichter, herrschte das übliche Remmidemmi. Musik und Stimmen hallten herüber. Zu träge, jetzt noch ein anderes Restaurant zu suchen, ließ Georg den Wagen auf dem Parkplatz stehen und ging über die Wiese auf die im Wind baumelnden Lampions und bunten Lichterketten zu. Sie rahmten den Eingang zum Campingplatz wie einen Jahrmarkt ein. An der Uferstraße musste er einen Bogen um die Reihe der dort abgestellten Motorräder schlagen. Da war also die Lederjackentruppe wieder eingeritten, und das hier war ihr Treffpunkt. Wohnten die Biker in den Zelten oder Wohnwagen? Sicher nicht alle, den Nummernschildern nach
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