Tödlicher Steilhang
Defensive gedrängt, ihre Strategie ging nicht auf, zumal Georg bis auf wenige Zentimeter an sie heranfuhr. Der elektronische Abstandsmesser gab einen nervtötenden Dauerton von sich.
Der erste Biker setzte einen Meter zurück, damit hatte er Georg die Initiative überlassen. Ein Blick zu den Bäumen zeigte ihm, dass der Schwager sich tiefer in den Schatten zurückzog. Der zweite Biker mit Manfred auf dem Sozius sah sich bedrängt, war irritiert, setzte trotz des Protestes seines Beifahrers zögernd zurück und suchte Rat bei dem, der zuerst gekniffen hatte. Ein heiles Motorrad schien ihm wichtiger als der Plan, den jungen Albers einzuschüchtern. Georg, den niemand im dunklen Wageninneren erkennen konnte, setzte nach, seine Stoßstange war ihm egal, und falls einer der drei abstieg, um ihn aus dem Wagen zu holen, hätte er ihn schon beim Türöffnen außer Gefecht gesetzt. Im Unklaren über ihren Gegner verließen die Männer den Schauplatz.
Georg wartete, bis sie außer Sichtweite waren, sprang aus dem Wagen, wies den überraschten Albers an, seinen Polo zu parken, und rannte dem Schwager hinterher, der längst das Weite gesucht hatte.
Zurück an seinem Tisch schüttete Georg den Rest des Biers im Stehen in sich hinein. Seine Abwesenheit war bemerkt worden, aber als er mit einem Geldschein in der Hand auf die Bedienung zuging, war sie beruhigt, sie hatte keinen Zechpreller vor sich. Nur Albers’ Onkel, von Georgs Auftauchen verwirrt, musterte ihn voller Misstrauen und verfolgte seine Schritte, bis ihn der Schatten der Bäume wieder verschluckte. Aus seiner Deckung sah er, wie er mit der Bedienung redete, dann waren die Biker abgestiegen und scharten sich um ihn, der seinen Gesten nach ziemlich wütend war und mit der Faust in die linke Hand schlug. Georg hoffte, dass man ihn selbst nicht mit dem Misslingen der Aktion in Verbindung brachte.
Der junge Albers wartete vor der »Goldenen Gans«, er hatte wie befohlen den Wagen eingeparkt.
»Danke«, sagte er, von den unbegreiflichen Ereignissen erschüttert. »Danke!«
Mehr konnte er nicht sagen, denn Georg wies ihn an, seinen Wagen ebenfalls rasch zu parken. »Sie kommen gleich zurück, sie wollen wissen, wer ich bin.«
Der junge Albers begriff schnell, und kurz darauf standen beide Fahrzeuge ohne Licht zwischen den anderen. Es war auch Zeit, der Späher traf wie erwartet ein, der junge Albers zog Georg aus dem Schein der Laterne über dem Nebeneingang des Restaurants.
Der Späher stieg vom Motorrad und ging von Wagen zu Wagen, sah hinein und legte die Hand auf die Motorhauben. Bei Georgs Wagen zögerte er, roch an der Motorhaube, trat einen Schritt zurück und schrieb die Autonummer auf. Dumm war er nicht, von Motoren verstand er etwas.
»Wer sind Sie?«, fragte der junge Albers, als sie wieder allein waren. »Weshalb haben Sie mir geholfen? Was machen Sie hier?«
»Das sind viele Fragen auf einmal«, sagte Georg.
Erst jetzt fiel ihm auf, dass er seit Manfreds Ankunft nur intuitiv gehandelt hatte, ohne eine Sekunde lang über die nächsten Schritte nachzudenken oder darüber, welche Folgen sein Handeln haben könnte. Bis auf den Umstand, dass sie seine Autonummer hatten, hatte er alles richtig gemacht. Er hätte sofort ohne Licht wegfahren müssen und später zu Fuß wiederkommen sollen. Sein Verhalten verschaffte ihm aber eine gewisse Genugtuung, endlich hatte er mal wieder einen Moment lang die eigene Stärke und Selbstverständlichkeit gespürt. Das tat gut.
Er beantwortete die erste Frage des jungen Mannes und erklärte, im Fall des Angriffs auf Helmut Menges zu ermitteln. Menges habe ihn noch vor seinem Tod damit betraut, und er sehe sich an den Auftrag gebunden. Daraus ergäben sich fürihn einige zu klärende Zusammenhänge, über die er nicht sprechen dürfe, »noch nicht«, wie er geheimnisvoll andeutete. Dadurch blieb ungesagt, dass er nicht den geringsten Schimmer hatte, was hier ablief. Aber er habe neulich verfolgt, wie der Schwager ihn und seine Mutter belästigt habe.
»Das haben Sie miterlebt?« Es schien, als sei Georg vertrauenswürdig. »Mein Onkel, Till Lehmann, die Leute auf dem Platz nennen ihn Tille, ist seit Jahren hinter unserem Restaurant und dem Hotel her. Er ist neidisch, weil er da unten auf der Wiese sitzt und beim kleinsten Hochwasser nasse Füße kriegt und seine Haut so stinkt wie seine Fritten. Er meint, dass jetzt, wo mein Vater tot ist, er beziehungsweise seine Frau, also meine Tante, die Schwester meiner Mutter, ein
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