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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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zweites Mal, jetzt mit einem Becher Kaffee, den Henkel in meine Richtung gedreht.
    »Oh, danke, Uri, danke! Du bist ein Engel!«
    »Du verdienst mich nicht.« Damit schließt sich die Tür.
    In rasendem Tempo absolviere ich den Rest meiner Morgenroutine, schnappe mir Handtasche, Laptop und Notizen, drücke Uri kurz und renne los.
    Mary, die Empfangsdame im Erdgeschoss des Times-Picayune -Gebäudes, sagt: »Guten Morgen, Miss Céspedes. Mr. Bailey erwartet Sie schon.«
    »Danke«, rufe ich und haste die Stufen der Rolltreppe hinauf. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Wenn schon Mary ganz unten weiß,dass ich meinen Termin vergeigt habe, wer weiß es dann nicht? Auf der zweiten Rolltreppe, ins nächste Stockwerk, versuche ich mich zu beruhigen. Kann ja sein, dass Bailey gewütet hat. Das war dann aber heute Morgen, bevor ich angerufen habe.
    Ich betrete die Nachrichtenredaktion und gehe geradewegs an der langen Glaswand entlang auf sein Büro zu. Es fühlt sich an wie der Gang zum Jüngsten Gericht, doch ich pflanze mir ein Lächeln ins Gesicht und straffe die Schultern.
    »Ist Bailey da?«
    Seine Sekretärin, Margie, runzelt die Stirn. » Mr. Bailey«, verkündet sie, »ist dort drüben.« Dazu streckt sie einen Finger mit weinrot lackiertem Nagel aus.
    Er steht, mit dem Rücken zu mir, an einen der Schreibtische im Sport-Ressort gelehnt und redet mit zwei Reportern. Okay, der Augenblick der Wahrheit ist gekommen. Ich schlängele mich zwischen Reihen grauer Stahlschreibtische hindurch. Als sie sehen, dass ich mich nähere, verstummen die beiden Reporter und beobachten mich. In Zeitlupe dreht Bailey sich schließlich um.
    »Entschuldigt mich«, sagt er zu den Männern. Nimmt mich beim Arm und dreht mich um neunzig Grad herum. »Komm.«
    »Guten Morgen, Sir. Es ist mir so ...«
    »Komm einfach.«
    Schweigend steuert er mich zum Hinterausgang der Nachrichtenredaktion und nach draußen auf das Beobachtungsdeck, das, wenn uns nicht gerade eine Schulklasse besuchen kommt, einsam und verlassen ist. An der Wand auf der einen Seite hängen Fotos und Memorabilien aus der langen Geschichte des Blatts, die Wand auf der gegenüberliegenden Seite ist komplett verglast. Dort kann man stehen und zuschauen, wie die gigantischen Maschinen – drei Stockwerke hoch und einen ganzen Straßenblock lang – die 200 000 Zeitungen ausspucken, die die Leute in New Orleans jeden Tag lesen.
    Kaum ist die Tür hinter uns zugefallen, explodiert Bailey. »Was zum Henker ist los mit dir, Céspedes?« Er legt vor meinerNase Daumen und Zeigefinger der Rechten um ein Haar zusammen. »Du bist so dicht davor, rausgekantet zu werden. Wo warst du heute Morgen, verdammt?«
    »Hast du nicht ...«
    »Wenn ich acht Uhr schreibe, meine ich acht Uhr. Und jetzt ist es ... wie spät?« Er schaut auf die Uhr. »Halb elf, verdammt. Jetzt kommst du hier an?«
    »Sir, ich ...«
    »Sekunde mal. Bist du ...« Er beugt sich vor, fixiert mich, schnuppert. »Bist du verkatert?« Das spricht er aus wie ein Priester das Wort Satan . »Du kommst zweieinhalb Stunden zu spät und bist verkatert?«
    »Hast du meine Nachricht nicht abgehört?«
    »Nachricht? Nein, ich hab keine Nachricht gekriegt.«
    »Auf deinem Anrufbeantworter. Da habe ich erklärt ...«
    »Es interessiert mich nicht, was du erklärt hast. Es interessiert mich nicht, ob dein Hund gestorben ist, ob deine Großmutter gestorben ist oder ob du im Traum einen zweiten Sturm Katrina vorhergesehen hast. Hörst du?«
    »Ja, Sir, aber ...«
    »Ich bin noch nicht fertig. Weißt du was? Ich bin froh, dass das jetzt passiert. Du machst Claire mehr Probleme, als du Gutes bringst. Dein großartiger Lebenslauf, mit dem du hier gelandet bist, die guten Texte – das alles ist nichts, aber auch gar nichts wert, wenn du nicht in der Lage bist, mit anderen zusammenzuarbeiten, verdammt. Bisher hast du nur alle verärgert.« Er geht mit großen Schritten auf und ab. »Totgewicht können wir uns nicht leisten – du weißt, dass die Auflage seit dem Sturm um dreißig Prozent gesunken ist. Ich denke schon seit einiger Zeit daran, dich zu verabschieden.« Ich schnappe nach Luft. »Ja, ja«, sagt er und lächelt bitter, »insofern kommt mir das gerade recht. Ich müsste dir direkt dankbar sein. Zweieinhalb Stunden zu spät zu einem Meeting, und dann auch noch verkatert.«
    »Sir, bitte ...«
    »Aber weißt du was?« Er starrt auf die Fotos an der Wand hinter mir, als suche er in der Vergangenheit nach Rat. »Ich werde großzügig sein.

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