Toedlicher Sumpf
Fürstlich geradezu. Ich will das Stück über das Registrierungsgesetz am Montagmorgen auf dem Tisch haben.«
»Montag?«, wiederhole ich, Panik in der Stimme. Was ich bisher habe, ist kaum mehr als ein chaotischer Entwurf, und mit Blake Lanusse bin ich erst für Dienstag zum Interview verabredet.
»Montagmorgen, und es muss brillant sein. Ich will, dass es die beste Reportage seit Katrina wird. Und wenn ich Morgen sage, meine ich acht Uhr. Geschliffen und druckreif – oder du bist gefeuert. Im Übrigen sollten wir uns jetzt voneinander verabschieden, denn ich weiß, du hast bislang höchstens herumgestochert.«
Er packt meine Hand, schüttelt sie und quetscht sie immer weiter zusammen, während meine Finger wie von selbst versuchen, sich zu befreien. Bis eben war ich noch zerknirscht. Jetzt werde ich langsam sauer.
»Das schaffe ich, auf jeden Fall. Ich bin schon ziemlich weit.«
»Ja, ja, bestimmt.« Endlich lässt er meine Hand los, und ich strecke die schmerzenden Finger aus. »Weißt du, was traurig ist, Céspedes? Während der vergangenen zwanzig Jahre habe ich einen ganzen Haufen mittelmäßiger Schreiber hier etwas werden sehen; Leute, die keinen Biss haben. Aber es ist so: Die wollen . Und sie reißen sich den Arsch auf. Sie liefern ordentliche Arbeit ab und basteln sich aus dem, was ihnen gegeben ist, eine Laufbahn. Sie sind nicht brillant. Sie gewinnen keinen Preis und verändern nicht die Welt. Aber sie leisten etwas.«
Ich nicke verwirrt.
»Und weißt du, was noch viel trauriger ist? Jemand, der Feuer hat. Talent. Großes Talent. Und der es versaut.« Er schüttelt den Kopf und mustert mich geringschätzig. »Ich dachte, du hättest was drauf, Nola.«
»Wenn ich nur ...«
»Verschwinde jetzt. Nimm den Rest der Woche frei – das ziehe ich dir vom Gehalt ab. Wenn du am Montagmorgen nicht hier aufkreuzt, wird niemand deswegen schlaflose Nächte haben. Und jetzt raus hier.«
»Aber, Chef ...«
»Ich will es nicht hören. Geh und nimm deinen Grips zusammen. Los.« Er hält mir die Tür auf und nickt. »Geh.« Und mir bleibt nichts übrig, als tatsächlich zu gehen.
Mein Gesicht glüht vor Wut und Scham, als ich an ihm vorbei durch den blauen Stahltürrahmen stürme. Ich renne die Treppe hinunter und durch den großen Raum mit den Maschinen, wo meine Absätze auf dem Zementboden klacken. Im Laufschritt passiere ich die Leute in den Blaumännern und mit den orangefarbenen Ohrstöpseln. Sie starren mich an, als wäre ich ein Geist.
Leck mich, Bailey – ist alles, was mir einfällt. Mein Verstand weigert sich, einen Plan zu schmieden.
Und so kommt es, dass ich über den I-10 nach Westen rase, so außer mir, dass ich mich kaum aufs Fahren konzentrieren kann. Ich bin nur darauf aus, so viel Abstand wie möglich zwischen mich und diese verdammte Stadt zu bringen.
Beim Flughafen biege ich mit Vollgas auf die Route 310 ab und fahre nach Süden. Die weiße, hochgeständerte Straße trägt mich hoch über die Sümpfe. Es hat etwas Unwirkliches, wie ein Bild aus Star Wars – wie die langgezogenen, steril weißen Hightech-Kurven sich über das fette, nasse Grün spannen. Hier oben habe ich im Vorbeifahren das Spanische Moos, das von den Ästen der hohen Kiefern weht, auf Augenhöhe.
Aber nachdem ich den Mississippi überquert habe, verändert sich die fantastische Landschaft. Die Straße senkt sich zum Boden hin ab, führt über trockengelegtes Weideland, und ich fahre auf dem Highway 90 West weiter. Die Fenster des Pontiac sind unten, aus dem Radio grooven bei voller Lautstärkedie Radiators. »Papaya«, röhren sie in den Fahrtwind und lassen den Namen der harmlosen Frucht klingen wie eine Einladung – worüber ich unweigerlich grinsen muss, denn ich weiß, was im kubanischen Slang mit »Papaya« gemeint ist.
Noch einmal biege ich ab, auf den Highway LA-1, und komme an langweiligen kleinen Städten vorbei – Mathews, Lockport, Larose –, die aussehen, als gebe es dort außer Bankfilialen und Tankstellen gar nichts. Endlich macht der Highway einen Bogen in Richtung Osten und schließt sich dem Gulf Intracoastal Waterway an, einem der Kanäle, die Ingenieure ausgehoben haben, um Wiesen trockenzulegen und Handelsschiffen eine Durchfahrt zu ermöglichen. Als ich jetzt daran entlanggleite, sehe ich etliche Krabbenfischerboote liegen. Sie sind am Ufer festgemacht und künden mit ihren ZU-VERKAUFEN-Schildern jammervoll von der finanziellen Misere, die Katrina auch hier hinterlassen hat.
Immer noch
Weitere Kostenlose Bücher