Toedlicher Sumpf
›großartig‹ verlaufen,oder sie hätten ihre Lektion gelernt. Ihre Aussagen sind vereinfachend und zu glatt. Sie können weder Details nennen noch einen tatsächlichen Wandlungsprozess beschreiben.«
»Also nichts als Zuckerguss.«
»Ja, wenn es zum Beispiel darum geht, einen Bewährungsausschuss zu überzeugen. Ein erfahrener Therapeut fällt darauf natürlich nicht herein. Das ist reine Show.«
Bald darauf kommen wir mit dem Interview zum Ende und verabschieden uns. Ich bedanke mich, und als ich seine kräftige, glatte Hand in meiner spüre und seinem warmen Blick begegne, wünschte ich, ich könnte noch eine Weile bleiben.
Dr. Letleys Stimme ist sehr angenehm, weich und tief, aber es gibt eine Verabredung, die ich einhalten muss. Also bedanke ich mich noch einmal, raffe meine Sachen zusammen und gehe.
4
Donnerstagabend! ¡Híjole! Ich schwirre durch die Wohnung und bringe sie, bevor die Mädels eintreffen, in einen in hygienischer Hinsicht akzeptablen Zustand. Uri ist weggegangen, seinen Hund hat er mitgenommen. Schwarze Bohnen und gelber Reis simmern in ihren Töpfen vor sich hin, das Schweinefleisch mit Knoblauch schmurgelt schon den ganzen Tag bei Niedrigtemperatur im Slow Cooker, und die plátanos liegen, süß und schwarz, auf dem Tresen bereit und warten darauf, zum Nachtisch geschält, geschnitten und in brutzelnd zerlassener Butter geschwenkt zu werden.
Auf dem Tisch stehen eine neue Flasche weißer Rum – Havana Club –, vier Longdrinkgläser, ein Kübel mit Eis und ein kleiner Teller mit Puderzucker; daneben liegen, locker in Küchenpapier gewickelt, frische Minzestängel und -blätter und in einer Schale pralle grüne Limetten, schon halbiert und zum Auspressen bereit. Außerdem steht da eine kleine Dose Guanabana-Saft für den Fall, dass eine ihrem Mojito eine besondere Note geben möchte.
Barfuß, in abgeschnittenen Jeans und pinkfarbenem Saints-Kapuzenshirt gehe ich umher, klaube hier und da ein Kleidungsstück vom Boden auf, werfe es in den Wäschekorb und wische mit antibakteriellen Zitrus-Feuchttüchern ein bisschen im Badezimmer herum. (»Das ist was für Faule«, würde meine Mutter sagen, die auf einen guten Schwamm und die Kraft von »Bon Ami« schwört. »Besonders für diese Faule hier«, würde ich erwidern.)
Es klingelt, und als ich öffne, stürmt Calinda herein, umarmt mich, legt eine Handvoll Gänseblümchen auf den Tresen und lässt sich auf die Couch fallen.
»Frag bloß nicht, wie der Tag war«, sagt sie. »Das Justizsystem in New Orleans? Ein Widerspruch in sich.« Sie hebt zu einem Bericht über die juristischen Pannen des Tages an, wird jedoch schnell von Soline und Fabi unterbrochen, deren glucksendes Lachen schon von der Treppe her zu hören ist. Fabi mit ihrer schwarzen Mähne, den dunklen Augen und der Ballerina-Grazie ist unsere ortsansässige Chicana-Prinzessin. Kichernd kommen die beiden herein, es wird umarmt und geküsst, Mojitos werden zurechtgemacht, und dann stehen wir in der Küche, lachen, trinken und kosten die schwarzen Bohnen.
»Fertig«, verkünde ich schließlich, und wir tragen unser warmes Essen, die kalten Drinks und das Gespräch ins Wohnzimmer, wo wir uns niederlassen und weiterreden, über die Arbeit, die Arbeit und nochmals die Arbeit, über Männer, den Irak, Kinofilme, die Vorkehrungen für den Präsidentschaftswahlkampf und unsere großen Schwierigkeiten, uns zwischen Hillary und Barack zu entscheiden. Wir sind eingefleischte Lippenstift-Feministinnen, aber wir sind auch gegen den Krieg und zudem aus ethnischen Gründen nicht ganz unvoreingenommen. Und wir lieeeben Obama. »Diese Hände «, murmelt Calinda immer wieder und schüttelt den Kopf. Da sie außerdem gute Gäste sind, sparen sie auch nicht mit den kleinen Gefühlsausbrüchen, die einer Gastgeberin so wohltun: »Du kochst einfach fantastisch, Nola!« – »Meine Güte, das Fleisch zergeht einem ja auf der Zunge!« Und so weiter.
»He«, sagt Fabi auf einmal, »was ist denn das?«
Sie hat den Stapel Täter-Akten auf der unteren Etage des Couchtischs entdeckt. Scheiße, Scheiße, Scheiße – ich habe vergessen, die Dinger wegzuräumen. Schon streckt Fabi eine Hand mit golden lackierten Nägeln danach aus.
Ich lasse scheppernd meine Gabel fallen, springe auf und schnappe ihr die Akten weg. »Nichts.«
»Ach«, sagt Calinda, »sind das nicht die ...«
»Nichts.« Ich starre sie an und ziehe eine Braue hoch. »Das ist nichts. Nur was für die Arbeit.«
Fabi verdreht die weit
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