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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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ich.«
    »Ja. Man hat sie noch nicht gefunden. Sie ist am Montagmorgen aus einem Restaurant im Quarter entführt worden.«
    »Ja. Ja, ich erinnere mich.« Er schüttelt den Kopf. »Traurige Geschichte.«
    »Was denken Sie als Fachmann? Ich meine, was glauben Sie, was für ein Mensch auf diese Weise eine Frau entführt?«
    Sein Ton wird streng. »Ich bin kein Profiler, Miss Céspedes, und wir sind hier nicht im Fernsehen. Ich arbeite mit einzelnen, konkreten Menschen. Zu Mustern kann ich etwas sagen, aber ...«
    »Ja, sicher. Aber wenn Sie einfach nur spekulieren sollten, nicht fürs Protokoll ...«
    Er antwortet nur zögerlich. » Wenn ich spekulieren sollte – was ich nicht tun würde, denn darin bin ich durchaus kein Fachmann ...«
    »Selbstverständlich nicht.«
    »... dann würde ich wahrscheinlich sagen, dass die Vorgehensweise des Täters gehörige physische Kraft erfordert – was auf der Hand liegt, wenn man bedenkt, dass eine körperlich nicht beeinträchtigte Erwachsene von einem öffentlichen Ort entführt worden ist – und zugleich von enormem Selbstbewusstsein aufseiten des Täters zeugt. Ich würde sagen, er verfügt über eine gewisse gesellschaftliche Autorität, vielleicht auf einem Gebiet oder in einer Branche, in der Kraft gefragt ist.«
    »Halten Sie ihn für intelligent?«
    »Ich würde ihn eher als clever und charmant einstufen und nicht so sehr als besonders intelligent – auch das in Anbetracht seiner Vorgehensweise«, fährt Dr. Letley fort. »Inmitten anderer Leute hat er das Opfer von einem öffentlichen Ort entführt. Er schätzt das Risiko. Andere Leute schüchtern ihn nicht ein. Ein kontaktscheuer, zurückhaltender Typ ist er nicht.«
    »Was genau meinen Sie mit ›nicht besonders intelligent‹?«
    »Nun, ein kluger Kopf wäre vielleicht vorsichtiger gewesen. Dieser Täter hat sich auf seine Kraft verlassen – und auf seinen Wagemut. Aber das könnte es denen, die in dem Fall ermitteln, auch etwas leichter machen.«
    »Inwiefern?«
    »Möglicherweise liebt er das Risiko generell. Vielleicht lebt er in dem Gefühl, dass er mit seiner Kraft und seinem Charme immer durchkommt.«
    »Was für Risiken könnte er eingehen?«
    »Zum Beispiel begeht er die Vergewaltigung – und den Mord, wenn es denn dazu kommt – «, er klopft leise mit den Fingerknöcheln auf die Tischplatte, »vielleicht eher in seinerWohnung, als dass er einen anderen, neutraleren Schauplatz wählt. Würden in seiner Wohnung Spuren gefunden, könnte ihm die Tat viel leichter nachgewiesen werden.« Er runzelt die Stirn. »Wann war das noch mal? Am Montagmorgen?«
    Ich nicke.
    »Und das Opfer ist noch nicht gefunden worden?«
    »Nein.«
    »Ich würde davon ausgehen, dass er der sadistische Typ ist, dass er alles sorgfältig geplant und das Opfer nach bestimmten äußeren Kriterien ausgewählt hat – nach der Hautfarbe beispielsweise oder dem Körperbau. Diese Dinge sind für seine Fantasien wichtig. Falls sie noch am Leben ist, hält er sie irgendwo gefangen, an einem Ort, über den er die alleinige Kontrolle hat – und, wie gesagt, ihm ist zuzutrauen, dass er es bei sich zu Hause tut.« Er räuspert sich und sagt vorsichtig: »Ich würde keinen guten Ausgang prognostizieren.«
    Mir kommt ein Gedanke. »Sie haben über Vergewaltiger gesprochen, als handele es sich bei denen um einen grundsätzlich anderen Typ als bei Kinderschändern. Ist das richtig?«
    »Oh, verzeihen Sie, mein Fehler. Diese Annahme ist vermutlich nicht richtig, obwohl man lange davon ausging. Neuere Studien zeigen dagegen, dass bei Sexualstraftätern von einer hochgradigen Polymorphie der sexuellen Neigungen auszugehen ist.«
    »Poly... was?«
    »Polymorphie. Wechselnde Muster in einer oder mehreren Hinsichten, auch in Bezug auf das Alter der Opfer.«
    »Demnach könnte ein Kinderschänder theoretisch ›aufsteigen‹, was das Alter seiner Opfer angeht, und anfangen, sich für erwachsene Frauen zu interessieren?«
    »Ja. Neuesten Forschungen zufolge variieren bei bis zu siebzig Prozent der Täter das Alter der Opfer, das Geschlecht und sogar die bevorzugten sexuellen Praktiken. Bei Kinderschändern setzt ein solcher Wechsel tendenziell etwas später ein, aber das liegt im Wesentlichen daran, dass viele dieser Täterbereits über Jahre hinweg Kinder missbraucht haben, bevor sie gefasst und verurteilt werden.«
    »Über wie viele Jahre hinweg – was ist da typisch?«
    »Das wird unterschiedlich bewertet. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es im

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