Toedlicher Sumpf
Ordnung?«, murmelt sie, die Hände unter dem warmen Wasserstrahl.
»Alles bestens.«
»Geht’s dir gut?«
Es gibt keine ehrliche Antwort, die passen würde. »Mir geht’s gut«, sage ich und wedele ihre Besorgnis mit einer Handbewegung weg.
Als die plátanos fertig sind – außen heiß und kross, innen der reine süße Schmelz –, verteile ich sie auf vier Schälchen und gebe ein paar Späne Vanilleeis darauf. Inzwischen ist es dunkel, und es hat sich etwas abgekühlt, deshalb gehen wir mit dem Nachtisch auf den Balkon und lassen uns im Schneidersitz auf dem grau gestrichenen Holz nieder. Allmählich entspanne ich mich wieder. Ich ziehe den Genuss in die Länge, indem ich immer nur winzige Happen nehme und die ganze Süße auf der Zunge zergehen lasse. Plátanos essen katapultiert mich immer in die Kindheit zurück, auf den Schoß meiner Mutter, eingehüllt in ihren leichten Puderduft.
Wie seit einem Jahr unweigerlich jedes Mal kommt die Rede auf Solines bevorstehende Hochzeit, bei der wir als Brautjungfern antreten werden. Es liegt ihr fern, ihre besten Freundinnen in Verlegenheit zu bringen, deshalb hat sie sehr annehmbare schmale, indigoblaue Kleider für uns ausgesucht. Ihr eigenes Kleid, eine schulterfreie Woge aus weißem französischem Tüll – knielang, also modern –, wird umwerfend aussehen an ihr mit ihrer dunklen Haut und schlank, wie sie ist. Etwas vonEdith Roché zu kaufen hat sie abgelehnt, weil Roché keine afroamerikanischen Models für sich laufen lässt, aber sie hat von Rochés Luxe-Kollektion abgekupfert, was ihr gefallen hat, und anhand dessen ihr Kleid selbst entworfen. Und dann hat sie es bei einer Schneiderin in Tremé – einer Freundin ihrer Mutter – arbeiten lassen und auf diese Weise dafür gesorgt, dass das Geld in der schwarzen Community bleibt.
Wer in New Orleans seinen Status bei einer Hochzeit demonstrieren will, der spricht seine Gelübde in der St. Louis Cathedral im French Quarter, speist ein paar Häuser weiter im piekfeinen »Omni« -Hotel und tanzt dort auf der Dachterrasse in den Sonnenaufgang. Genau so hat Soline es geplant. Und die Einzelheiten stehen fest, seit sie in der siebten Klasse war.
Ein Samstag im April, eine schöne Braut, ein schöner Bräutigam und eine Hochzeitsreise mit dem Luxuszug durch Thailand.
Wenn meine Freundinnen über Hochzeiten und Liebe reden, komme ich mir immer merkwürdig naiv vor. Da sitze ich dabei und höre zu wie ein Kind. Sex kenne ich, aber alles andere, das mit den Beziehungen, damit schlage ich mich nicht herum, das ist mir ein Rätsel. Wie ich Männer behandele, wie Männer mich behandeln – für mich ist das kein Thema, denn so weit kommt es gar nicht erst. Und wenn der Sex noch so gut war, ich will kein zweites Mal. So bleibt es klarer, übersichtlicher. Ich weiß nicht. Keine Gefühle, keine Verbundenheit, keine Spielchen, keine Lügen. Kommen und gehen. Ganz einfach.
»He, Nola, was ist los?«
Verdattert hebe ich den Blick von meinem leeren Dessertschälchen.
»Du hast gerade so traurig ausgesehen«, sagt Calinda.
»Nein, mir geht’s gut.« Ich stehe auf. »Ich will nur schnell das Geschirr in die Küche bringen.«
Manchmal tue ich mich schwer damit, meine Freundinnen um mich zu haben; dann fühle ich mich zwischen ihnen wieein Alien. Ich träume nicht von einer Hochzeit; ich weiß nicht, wie es ist, wenn man reisen kann oder Geld hat oder auch nur eine richtige Familie: Großeltern oder eine Schwester, die jede Woche anruft, um ein bisschen zu reden. Ich habe niemanden außer meiner Mutter, und auch die nur halb, denn sie verliert sich abwechselnd im Catholic-Digest -Magazin und in ihrem Whiskey. In Sachen Freundschaft – wie bei so vielen anderen Dingen – bestehe ich so gerade eben, gehe halbwegs als normal durch, weil ich meine Freundinnen beobachte und mich dann bemühe mitzuhalten. Während meiner Zeit am College habe ich mir Sex-and-the-City -Staffeln angeschaut, als würde ich für eine Prüfung lernen.
Wie macht Calinda das? Scheinbar mühelos gleitet sie nach einem harten Tag bei der Staatsanwaltschaft hinein in den Mädchen-Plausch über Schmuck und Dates und so weiter. Vielleicht hilft ihr die intakte Familie, aus der sie kommt und in der sie jegliche Unterstützung erfährt – ihre Eltern praktizieren beide als Kinderärzte in Baton Rouge –, die Dinge nicht so an sich heranzulassen.
Mir fällt das alles viel schwerer, und manchmal komme ich nicht dagegen an. Es gibt Tage, an denen möchte
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