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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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schnaubt. »Worauf wollen Sie hinaus? Jugendknast ist Jugendknast. Es ist ätzend, man sitzt seine Zeit ab, man kommt wieder raus.«
    »Passieren die Sachen, die im Gefängnis ablaufen – Vergewaltigungen, Schlägereien – auch im Jugendstrafvollzug?«
    Grimmig starrt er auf seine Diet-Dr-Pepper-Dose. »Was kümmert Sie das?«
    »Mich interessiert, welche Erfahrungen Sie im Jugendstrafvollzug gemacht haben. Mit zwölf.«
    Er dreht die Dose hin und her und quetscht sie schließlich zusammen. »Wieso reden wir überhaupt darüber?«
    »Forscher haben herausgefunden, dass viele Sexualstraftäter in ihrer Jugend selbst belästigt oder missbraucht worden sind. Auch im Jugendstrafvollzug kommt es zu sexuellen Übergriffen. Deshalb dachte ich, ob Sie vielleicht ...«
    »Herr im Himmel«, sagt er gallig. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie herkommen, um diese alte Scheiße aufzurühren.«
    »Entschuldigen Sie, Mr. Veltri«, erwidere ich leise. »Wenn Ihnen das unangenehm ist, müssen wir nicht darüber sprechen.« Dabei schaue ich zu meinem Diktiergerät, das immer noch rot blinkt. Er folgt meinem Blick.
    »Schon in Ordnung«, murmelt er. »Ich bin nur ... wir kommen gerade in der Therapie auf das Thema. Ich bin damit noch nicht wirklich durch.«
    »Verstehe.«
    Das hätte ich nicht sagen sollen.
    »Blödsinn«, schnauzt er. »Wenn Sie es selbst durchgemacht haben, verstehen Sie es. Wenn nicht, wissen Sie einen Scheiß. Punkt. Das ist etwas, das man nicht vom Kopf her versteht.«
    Vorsichtig frage ich weiter: »Warum?«
    »Ich weiß nicht.« Langsam wird er ruhiger. »Es ist – irgendwie ist es mit Gedanken nicht zu fassen. Es macht was mit einem ...« Er starrt auf seine rauen, gebräunten Handrücken. »Ich weiß nicht. Es macht was mit einem.«
    »Sicher.«
    »Man findet nicht leicht die richtigen Worte dafür.«
    »Ich bin Ihnen jedenfalls dankbar ...«
    »Okay.« Er hebt den Blick. »Fertig?«
    Aha. Ich streife mir den Trageriemen meiner Tasche über die Schulter. Es ist vorbei, ich habe es mir verscherzt. »Wenn Sie nicht noch etwas ergänzen wollen.«
    Er schüttelt den Kopf, und nun lächelt er auch wieder. »Nee. Sie haben alles aus mir rausgefragt. Gute kleine Reporterin.«
    Ich kann es nicht ausstehen, »klein« genannt zu werden, aber ich lächle eisern weiter und stehe auf. »Vielen Dank, Mr. Veltri.«
    Als ich mich vorbeuge und ihm zum Abschied die Hand reiche, verirrt sein Blick sich zu meinem Pullover. Und bleibt dort.
    »Kein Problem.« Seine Stimme klingt gepresst.
    »Ich finde allein hinaus«, sage ich, greife mir das Diktiergerät und gehe.
    Noch während ich meinen Pontiac den I-10 hinunterjage, rufe ich Calinda an.
    »Hallo, Süße«, sagt sie. »Was machst du gerade?«
    Ich überhole einen Sattelschlepper. »Was meinst du, könntest du dich abseilen und zum ›Copper Pot‹ rüberkommen?«
    »Dem Laden, wo die Frau entführt worden ist?«
    »Haargenau. Ich dachte, wir könnten uns da mal umschauen.«
    Einen Moment lang überlegt sie. »Wenn du mir eine halbe Stunde Zeit lässt, damit ich ein paar Informationen zusammensuchen kann? Dann tu ich nichts lieber, als aus dem Büro zu verschwinden.«
    »Also bis gleich. Wir treffen uns dort.«
    Als ich ankomme, ist da kein gelbes Absperrband, wie es an Tatorten benutzt wird – aber Calinda steht vor der Tür und blickt mir erwartungsvoll entgegen. »Ich habe alles, was über die Sache bekannt ist«, sagt sie.
    Im Restaurant herrscht ganz normaler Betrieb: Über den Raum verteilt sitzen ein paar Leute, die bereits am Nachmittag richtig essen, und die Kellner schwirren mit ihren Tabletts herum.
    Calinda studiert einen hastig hingekritzelten Lageplan, den sie zugefaxt bekommen hat, und erklärt mir den Ablauf, zeigt mir den Tisch, an dem die junge Frau gesessen hat, und den Flur, den sie entlanggegangen ist. In dem dunklen Korridor scharrt sie mit der Spitze eines ihrer elfenbeinfarbenen Pumps an einer Stelle auf dem Boden, dicht an der Wand. »Hier ungefähr haben sie wohl das Armband gefunden.«
    Ich hocke mich hin und fahre mit den Fingerspitzen über den kühlen Zement. Rau und staubig. Bei der Befragung hat sich herausgestellt, dass der Vater nicht nur der Arbeitgeber der jungen Frau war – die beiden waren ein Paar und das Armband ein Geschenk, ein Versprechen auf mehr, eine gemeinsame Zukunft womöglich. Echte Diamanten, echtes Gold. Das hätte sie nicht kampflos hergegeben. Immer noch in der Hocke, schließe ich die Augen und atme ein, versuche –

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