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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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mir da einen guten Tag wünschte.
    »GD«, sagte ich. »Hallo!«
    »Ja, hallo«, erwiderte sie, leicht irritiert, doch sie fasste sich schnell. »Wir haben ein nettes kleines Mädchen, das dich interessieren könnte.«
    »Wie klein?« Ich war gerade auf dem I-10 unterwegs.
    »Sie ist acht und heißt ...«
    »Zu jung«, fiel ich ihr ins Wort. »Viel zu jung. Ich will nicht babysitten, ich will ein Mädchen haben, das mindestens zwölf ist.«
    »Das wissen wir, aber die Kleine ...«
    »Nein. Auf keinen Fall. Sie ist zu jung.« Ein Sattelschlepper quetschte sich vor mich. Ich hupte wütend.
    Die adrette Guidry Danserne räusperte sich und raschelte mit Papieren. Auf ihrem Schreibtisch gab es wahrscheinlich einen Tintenlöscher mit Monogramm und einen von diesen lederbespannten Bechern für Stifte.
    »Wir hätten da noch ein anderes spanisches Mädchen«, sagte sie zögernd.
    »Lass hören.«
    »Marisol ist zwölf. Moment ... Sie ist 2006 von Houston nach New Orleans gezogen und geht jetzt in die achte Klasse. Ihr Vater arbeitet auf dem Bau.« Im Stillen fragte ich mich, ob er wohl einer von den vielen Latino-Männern ist, die nach Katrina überall aus dem Nichts aufgetaucht sind. Zu Dutzenden lungerten sie, auf Arbeit hoffend, an der Shell-Tankstelle am Veteran’s Highway herum – bei Taco-Shell, wie die Leute sie schnell getauft haben. Es kamen immer mehr, und manch einer in New Orleans wurde wegen der Einwanderer schon nervös. »Ihre Mutter hat noch fünf kleinere Kinder und schafft es nicht, so viel Zeit mit Marisol zu verbringen, wie sie es gern täte.« Der missbilligende Unterton war dezent, aber doch unüberhörbar.
    »Klingt gut. Die nehme ich.«
    »Ihre Zensuren sind in Ordnung. Was das Verhalten und die Entwicklung angeht, zeigt sie keinerlei ...«
    »Wie gesagt: Ich nehme sie. Das kannst du eintragen.«
    »Sicher? Ich lese gern noch mehr aus ihrer Akte vor.«
    »Nein, das klingt alles gut. Wann treffe ich sie?«
    »Na ja, wir müssen mit der Familie einen Termin abstimmen. Dann kommst du zu uns ins Büro, und hier könnt ihr euch dann alle kennenlernen.«
    Ich musste lachen. »Du meinst, dann können die Eltern sich ein Bild von mir machen und rausfinden, ob ich ihnen recht bin.«
    Eine kurze Pause trat ein.
    »Wenn ich ehrlich sein soll: ja.«
    »Kein Problem. Ruf mich an, wenn du den Termin ausgemacht hast.« Damit warf ich das Handy auf den Beifahrersitz und zog knapp hinter einem Geländewagen auf die rechte Spur, um meine Ausfahrt noch zu erwischen.
    Das Treffen war unkompliziert. Ich trug eine weiße Omastrickjacke über meinem rückenfreien roten Top; ich hatte mein Haar zu einem damenhaften Dutt gezwirbelt, und ich habe kein einziges Mal geflucht. Stattdessen erwähnte ich beiläufig meinen Tulane-Abschluss und dass ich bei der Times-Picayune arbeite. Ich gab das anständige katholische Mädchen – ein Latina-Rollenvorbild, wie es im Buche steht. Die Eltern wirkten erschöpft, dankbar und vor allem darauf bedacht, bald nach Hause zu kommen, denn es war schon spät.
    Sie erklärten sich damit einverstanden, dass Marisol mich jeden zweiten Samstag von dreizehn bis fünfzehn Uhr sieht und dass wir das in Zukunft noch ausdehnen können, wenn wir beide es wünschen. Was mich betraf, war das ein großes Wenn , aber man weiß natürlich nie. Weiterhin wurde verabredet, dass ich sie zu Hause in Metairie, nicht weit vom Causeway, abhole und sie dort auch wieder hinbringe.
    Ich kenne die Gegend – Blocks mit billigen kleinen Wohnungen, schäbige Einkaufsstraßen, Mietlager. Metairie, im Norden gelegen, grenzt unmittelbar an New Orleans; es hat Berührung mit der Stadt, gehört aber nicht wirklich dazu. DieLeute, die in Metairie wohnen, behaupten, sie fühlen sich wohl da, aber im Grunde ist es ein reines Wohngebiet; lauter langweilige Bungalows und Backstein-Blocks mit typischen Vorstadthöfen. Sport ist das Größte in Metairie; auf jeder Veranda weht eine lila-gelbe LSU-Tigers-Fahne.
    Von denen, die in Metairie aufgewachsen und später weggezogen sind, redet keine darüber. Fragt man nach, sagt jede, dass sie aus New Orleans stammt. Metairie ist absolut nichtssagend; es könnte Vorort jeder beliebigen Südstaatenstadt sein. Und es ist strikt weiß – hier haben Leute wie der Rassist und Ex-Ku-Klux-Klan-Mann David Duke ein Heimspiel. Schwarze Bauarbeiter sind die einzigen Schwarzen hier.
    Es scheint so, als hätten die Leute die Versicherungsprämien, die nach Katrina geflossen sind, dazu genutzt, ihre

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