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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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zugeschnitten. Während wir auf den Eingang zusteuern, fliegen kreischende Schwarzkopfmöwen um uns herum.
    Drinnen ist es dunkel und kühl und blau – sehr angenehm nach der brennenden Sonne. Bei dem hohen Metall-Wasserfall bleiben wir stehen und studieren den Lageplan; dann beginnen wir unseren Rundgang.
    Als Erstes schauen wir uns das riesige blaue Bassin an, in dem Haie und Stachelrochen in weiten Bahnen herumwirbeln. Hechte und Tarpune schweben zwischen ihnen hindurch. Seeschildkröten, größer als Marisol, paddeln vorbei, und wir beobachten gebannt, wie ein Aal sich über einen Felsen windet.
    »Es wär toll, wenn sie die Haie füttern würden«, flüstert Marisol. Blut und Action – das Mädchen gefällt mir. Wir bleiben eine ganze Weile stehen, aber außer den immer gleichen Schleifen, die die eingesperrten Raubfische ziehen, gibt es nichts zu sehen.
    Als Marisol zur Toilette muss, gehe ich mit ihr und lungere bei den Waschbecken herum, spüle mir endlos die Hände ab. Irgendwo hier in der Gegend treibt sich ein Mann herum, der sehr schnell ist und das Tageslicht nicht scheut. Wäre Amber Waybridge zur Toilette begleitet worden, könnte sie heute Abend vielleicht in ihrem eigenen Bett schlafen.
    Wir lassen uns treiben, die Treppe hinauf, ins Obergeschoss, wo die Otter uns mit ihren Purzelbäumen zum Lachen bringen und sie mich anstupst und auf die Pinguine zeigt, die lustig umherwatscheln. Dann posiert sie im weit aufgeklappten Kiefer eines prähistorischen Hais, so dass die Zähne einen gezackten weißen Rahmen um sie bilden, und ich mache ein Foto von ihr. Anschließend tauschen wir die Plätze, und sie fotografiert mich.
    Der Regenwaldraum mit seiner feuchten Luft entzückt Marisol. Riesige Becken mit Alligatoren, Terrarien mit Anakondas, hängende Bambuswege – wie in einem anderen Land.
    »Das ist cool! Hier würde ich gern wohnen«, sagt sie. »Ich wünschte, bei uns zu Hause würde es so aussehen!«
    »Ja«, erwidere ich, doch sie ist schon weitergegangen. Ich weiß nicht, wie man mit Zwölfjährigen redet. Plötzlich frage ich mich, warum ich das alles überhaupt mache. Irgendwie passe ich nicht in diese Mentorenrolle.
    »Hey, guck mal«, ruft sie und klopft an das Becken mit den Piranhas, großen, metallisch gefärbten Fischen, deren Blicketwas seltsam Verwirrtes hat. »Ich dachte immer, die fressen Menschen!«
    Ich lese, wie sie, was auf dem Schild neben dem Becken steht, und erfahre, dass die Piranhas ihren schlechten Ruf schlechten Filmen verdanken. Dass sie Menschen nur angreifen, wenn sie in immer kleiner werdenden Tümpeln gefangen sind, so dass sie ihre Nahrungsquellen nicht erreichen, oder wenn sie sich bedroht fühlen.
    »Arme Piranhas«, sagt Marisol und streicht mit einem Finger über die Glaswand. »Keiner kann euch leiden, dabei kennen sie euch alle gar nicht.«
    »Komm weiter, die Golf-Abteilung anschauen.« Dafür müssen wir wieder nach unten. Die Quallen faszinieren mich; wie sie sich mit langsamen Stößen durch das schwarze Wasser bewegen, hat etwas Hypnotisches. Angestrahlt von Birnen, die in den Becken installiert sind, oder dank ihrer körpereigenen Leuchtkraft schimmern sie geisterhaft rosa, golden oder überirdisch blau, sehen aus wie aus Spitze gemachte Heißluftballons, fallen in sich zusammen und plustern sich wieder auf. Wie Fallschirme, die sich öffnen und wieder schließen, gleiten sie durch den schwarzen Raum, und ihre Tentakel wehen wie zarte Fäden sanft hinter ihnen her.
    Aber Marisol findet sie langweilig und möchte weiter.
    »Warte noch«, sage ich.
    Sie seufzt.
    Ich weiß selbst nicht, warum ich mich nicht losreißen kann, warum ich wie gebannt auf die seltsamen, filigranen Kugeln starre. Sie sind sexy. Sie rühren etwas in mir an. Ich würde gern sagen, dass sie mich an ein weibliches Geschlecht erinnern, das im Orgasmus pulsiert. Ich würde gern sagen, dass ich bewundere, wie sie, um vorwärtszukommen, alles um sich her in sich einsaugen und wieder ausstoßen. Aber vermutlich würden die BBBS-Leute es nicht so witzig finden, wenn ich etwas in der Art einer Zwölfjährigen erzähle. Also halte ich den Mund, stehe einfach da und schaue zu.
    »Nun komm doch.« Marisol seufzt noch einmal laut, verlagert ihr Gewicht von einem Bein aufs andere und verdreht die Augen.
    »Ja, ja, schon gut, wir gehen.« Für den Bruchteil einer Sekunde weiß ich wieder, wie es ist, zwölf zu sein und die Geduld mit den Erwachsenen zu verlieren. Ich muss lachen. »Hast du

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