Toedlicher Sumpf
ist. Streng geheim.«
Sie schaut mich zweifelnd an. »Meinetwegen«, sagt sie, doch ihr Blick verrät, dass sie neugierig geworden ist.
Als wir fertig sind, zufrieden und satt, werfen wir unsere Abfälle in die große Plastiktonne und sehen uns noch ein bisschen im Feinkostladen um, wundern uns gemeinschaftlich über die Vielzahl scharfer Saucen – Tabasco natürlich, aber auch die mexikanische Cholula und die kubanische Nurse Nan’s. Es gibt ein rotes Kühlregal voller unterschiedlicher Käse und ein Regal mit unzähligen Sorten Senf und in Wermut eingelegten Zwiebeln. An der Wand stehen große Blechkanister mit Olivenöl aufgereiht, und in weiteren Regalen stapeln sich Gläser mit Kapern, Knoblauchpaste und Anchovis.
»Hey, das hier kann ich lesen!«, sagt Marisol. Einige Waren scheinen spanischen Ursprungs zu sein. Ich bitte Marisol, mir die Aufschriften zu übersetzen, was sie stolz tut.
Wieso ist es plötzlich schon kurz vor drei?
Wir steigen am Jackson Square in die Straßenbahn und fahren zurück zum Parkplatz. Der Waggon ist so gut wie leer. Marisol hüpft von einem abgewetzten Holzsitz zum nächsten, bis der Fahrer müde zu uns nach hinten schaut. Die nächste Versuchung geht von den offenen Fenstern aus. Ungefähr zehn Mal muss ich sie ermahnen, die Hände nicht hinauszustrecken.
Ich weiß, dass es keine große Entfernung ist. Natürlich hätten wir zu Fuß gehen können. Aber ich bin hier aufgewachsen und trotzdem mit achtzehn das erste Mal mit dieser Bahn – einem Wahrzeichen von New Orleans – gefahren. Während der Zeit, in der ich für sie zuständig bin, soll es für Marisol anders laufen.
Kurz nach Mitternacht komme ich, nass geschwitzt vom Tanzen und Trinken, aus dem »Rock ’n’ Bowl« nach Hause. Das »Fair Grinds« hat längst geschlossen, alles ist ruhig. Nur eine einsame Außenlaterne wirft ihren gelben Schein in die Dunkelheit. Ich parke in einer Seitenstraße. Todmüde und mit leichter Schlagseite gehe ich die paar Schritte bis zu meinem Haus und die Außentreppe zu meiner Wohnungstür hinauf.
»Hallo.« Unter der Treppe steht ein Geist und streckt die Hand nach mir aus. Er ist dünn, blass, um die Fünfzig, er trägt ein schwarzes Unterhemd und Jeans. Seine Augen sind tiefe Höhlen, der offene Mund ein großes O, die Wangen dunkel und stopplig.
Heroin oder Crack oder Crystal Meth. Nichts Ungewöhnliches.
»Hallo. Ich hab nichts für dich, Kumpel.« Damit setze ich meinen Weg fort.
»Nola?« Er nuschelt so, dass ich ihn kaum verstehe; dabei starrt er zu mir herauf wie ein Untoter. »Arbeiten Sie bei der Zeitung?«
Ich nicke. Versuche, Ruhe zu bewahren.
»Ich warte schon eine Weile«, murmelt er. »Mein Freund sagt, ich soll mit Ihnen reden.«
»Und warum?«
»Er sagt, Sie machen was über Männer, die während Katrina durchs Raster gefallen sind. Ich bin so einer.« Ein spöttischstolzes Grinsen erscheint auf seinem Gesicht.
Wie von selbst graben meine Finger in der Handtasche nach dem Diktiergerät. Treffer .
»Wer ist dieser Freund?«
»Niemand. Einer, der drin ist.«
Drin. Nach meinem Besuch im Orleans-Parish-Gefängnis muss einer der Häftlinge Kontakt zu ihm aufgenommen haben. Hat schnell funktioniert.
Ich ziehe den kleinen Recorder aus der Tasche und schalte ihn ein. »Wie heißen Sie?«
»Keine Namen«, erwidert er. »Eine Quelle, die nicht genannt werden will.«
»Wo wohnen Sie?«
»Hier in der Stadt. Keine Einzelheiten, Süße. Ich will nicht, dass Sie die Bullen auf mich ansetzen.«
»In Ordnung.« Ich halte das Diktiergerät in seine Richtung. »Warum sind Sie nach dem Sturm zurückgekommen?«
»Wie wär’s, wenn wir raufgehen zu Ihnen und uns hinsetzen, und dann erzähle ich Ihnen alles?«
Mein Blick wandert kurz nach oben. Die Fenster sind dunkel. Uri arbeitet wahrscheinlich noch im »Vic«. Nur Roux ist da.
Ich schaue wieder zu ihm hinunter. »Sehe ich aus, als wäre ich so dumm?« Das »Fair Grinds« bleibt über Nacht geschlossen, und ich habe nicht vor, mich mit ihm in mein Auto zu setzen und irgendwohin zu fahren. »Wir können hier reden.« Damit lasse ich mich auf der warmen, grün lackierten Holzstufe nieder und deute auf die Stufen darunter. »Nehmen Sie Platz.«
Aber er kommt mit katzenhaften Bewegungen zu mir heraufgesprungen und setzt sich direkt neben mich. Seine Hüfte ist meiner eine Spur zu nahe, doch sein Körper strahlt keineHitze aus. Ich rücke ein Stück weg und halte das rot blinkende Diktiergerät zwischen uns.
»Wie
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