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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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Frauen die Cops gerufen, als ich reinkam, aber bis die auftauchten, war ich längst fertig und wieder weg.« Irgendwo in der Nähe wird eine Autotür zugeschlagen.
    »Ich bin beeindruckt«, sage ich. »So schnell!«
    Seine Augen verengen sich, und er kommt ein, zwei Schritte auf mich zu, wobei er die Hände zu Fäusten ballt. In der Handtasche legt sich mein Finger um den Abzug. Ich bin bereit.
    Jetzt höre ich jemanden näher kommen. Uri taucht aus der Dunkelheit auf. Seine Miene ist wachsam. »Hallo, Nola«, sagt er, ohne den Mann auf unserer Treppe aus den Augen zu lassen. »Wer ist das?«
    Der Ex-Knacki wird nervös. Er mag drahtig sein, aber Uri ist mindestens zehn, zwölf Kilo schwerer als er – und dazu jung und gesund.
    »Er wollte gerade gehen«, sage ich. Widerwillig kommt Mr. Niemand nach unten auf den Fußweg. Als er sich an mir vorbeischiebt, sehe ich, dass seine Oberlippe bebt vor Zorn.
    »Gut«, sagt Uri und geht die Treppe hinauf. »Es ist spät.«
    Der Typ lacht. »Ich weiß jetzt, dass du keine Alarmanlage hast«, sagt er und grinst anzüglich. Ein bleiches Lid senkt sich über ein dunkles Auge. »Du solltest vorsichtig sein.«
    Dann macht er kehrt und verschwindet in die Dunkelheit.
    »Steht sowieso auf meiner Liste«, rufe ich dem Schemen hinterher. »Hab schon jemanden bestellt.«
    Keine Antwort. Ich starre ins Leere. Mein Finger lässt den Abzug los. Noch spüre ich die Angst, die Anspannung, meine Schultern sind völlig verkrampft. An Uris Seite gehe ich nach oben.
    »Wen hast du bestellt?«, fragt er. »Wer war das?«
    Oben angelangt, sage ich: »Niemand. Irgend so ein Idiot, der mir auf den Nerv gegangen ist.«
    »Erzähl keinen Blödsinn, Nola.« Uri fasst mich am Arm. »Ernsthaft: Was ist ...«
    »Es war nichts, okay?« Ich schüttele ihn ab. Meine Hände zittern. »Gib endlich Ruhe!«
    »Ach ...« Uri hebt die Hände und tritt einen Schritt zurück.
    »Tut mir leid«, sage ich schnell, tätschele ihm den Arm und bemühe mich um ein Lächeln. »Es ist okay, ehrlich. Lass es gut sein.«
    Er mustert mich eingehend, sagt aber kein Wort mehr, wofür ich sehr dankbar bin. Ich hole meinen Schlüssel hervor und öffne die Tür.

8
    Es gibt vieles, das du an einem schönen Sonntagmorgen in New Orleans machen kannst. Du kannst im »Café du Monde« sitzen und deinen Beignet in den Milchkaffee tunken; du kannst im Audubon Park den Ball vom Tee schlagen oder dich auf Zehenspitzen von der jüngsten Bourbon-Street-Entgleisung wegschleichen.
    Bist du aber Latina und Tochter – da magst du noch so sehr cooler Single sein oder dir die Nacht im »Rock ’n’ Bowl« um die Ohren geschlagen haben –, gibt es am Sonntagmorgen nur eins: Du sitzt verkatert neben deiner Mutter in der Kirche.
    Da bin ich also, im passenden Outfit, ganz das katholische Mädchen: braver grauer Rock, gerade knielang, nette weiße Bluse und weiße Espadrilles. Sogar das Haar habe ich mir, schlicht und fromm, im Nacken zum Knoten gesteckt. Neben mir auf der hölzernen Kirchenbank liegt eine graue Handtasche, in die gerade so Lippenstift, Beretta und Schlüssel passen, und auf der anderen Seite sitzt Mamá, die Hände gefaltet, die Augen geschlossen – was gut ist, denn so sieht sie nicht, wie ich gähne und mir die Schläfen massiere. Ay, mi cabeza .
    Our Lady of the Holy Rosary ist eine alte Backsteinkirche an der Esplanade Avenue, nicht weit von da, wo wir beide wohnen. Die Wände sind cremeweiß getüncht, das Gewölbe über dem Altarraum schön ausgemalt; angenehmes, blasses Licht fällt herein. Zur Gemeinde gehören viele italienische Familien, die meisten schon seit Generationen. Wir unterschreiben Petitionen zur Abschaffung der Todesstrafe, es gibt Kuchenbasare, und alle sind nett zu meiner Mutter. Leider habe ich auf unserer Bank im hinteren Teil des Kirchenschiffs gerade dasBildnis des heiligen Augustinus im Blick, des miesesten aller Heiligen.
    An der Tulane mussten wir in dem Kurs »Der Mensch auf der Suche«, der für alle Erstsemester obligatorisch war, neben Homer, Thukydides, Platon, Shakespeare und einigen Passagen aus der Bibel auch Augustinus lesen. Alles in allem gab es in der Liste der Pflichtlektüren einen einzigen Roman von einer Frau, und zwar von Jane Austen. Ich konnte es nicht fassen: Alles, was ihre Figuren machen, ist Tee trinken, tanzen und sich überlegen, welchen Erben sie heiraten werden – und das war’s!
    Als wir die Bekenntnisse des Augustinus lasen, war unser Professor – ein dickbäuchiger

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