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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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den Schlafzimmern ist es warm und stickig. Die Luft hat etwas Totes. Innerhalb dieser Wände haben Menschen sich geliebt, sind Menschen geboren worden und gestorben. Eigentlich müssten die Räume überborden von Leben, aber ich empfinde sie als bedrückend; mich beschleicht hier Klaustrophobie.
    Erleichtert folge ich den anderen nach draußen, auf den Balkon, wo ein sanfter Wind weht und man wieder atmen kann. Der Balkon verläuft rund um das gesamte Obergeschoss und bietet, was ich, wäre ich Reiseschriftstellerin, einen wunderbaren Blick nennen würde. Die Aussicht ist wirklich zauberhaft.Saftiger Rasen, hier und da gesprenkelt von rosa blühenden Azaleenbüschen; in blasser Blüte stehende Bäume; Wiesen, die zum Flussufer hin sanft abfallen. Unsere Führerin sammelt uns um sich und weist immer wieder mit einer schmuckbehängten Hand nach dort unten.
    Irgendwann haben wir das Haus einmal umrundet, und der in der ganzen Dekoration zur Schau gestellte Reichtum hängt mir zum Hals heraus.
    »Wo sind die Sklavenunterkünfte?«, frage ich.
    Amy nickt. Lächelt liebenswürdig. »Die sind vor einigen Jahren entfernt worden.«
    Ein plötzlich heftigerer Windhauch fährt mir ins Haar. »Sie sind was?«
    Alle um uns her erstarren.
    »Weg«, antwortet sie. »Sie sind entfernt worden.«
    »Entfernt? Also abgerissen?«
    Jetzt ist Amys Lächeln nicht mehr so strahlend. »Abgerissen, ja.«
    »Aber damit ist etwas ausgelöscht.«
    »Wie bitte?«
    »Diese Hütten waren wichtig. Dadurch, dass man ein paar Gebäude niederreißt, wird der angerichtete Schaden ja nicht kleiner.« Ich muss an die Desire Projects denken und merke, wie ich rot anlaufe. Führerin Amy legt mir eine Hand auf den Arm. Ich schüttele sie ab.
    Entschlossen schiebt sie sich zwischen mich und die Gruppe. Ihr Ton ist jetzt scharf. Streng.
    »Wenn Sie die faszinierende Welt der Sklavenbehausungen kennenlernen wollen«, sagt sie, »sollten Sie sich Peachtree ansehen, eine der Plantagen hier in unserer Nachbarschaft. Dort gibt es noch eine ganze Reihe Hütten im unberührten Zustand.«
    »Unberührt?« Unweigerlich kommen mir die französischen Kassettenjungfern in den Sinn, die rein und beschützt im Kloster wohnten. »Unberührt« ist nichts als eine hilfreiche Fiktion. »Ich möchte die Hütten sehen, die hierher gehören.«
    »Wenn Sie bitte ins Büro gehen würden – dort erhalten Sie eine Broschüre und eine Wegbeschreibung für Peachtree.« Damit wendet sie sich wieder der Gruppe zu und klatscht, wenn auch etwas steif, in die Hände. »Ja, die Sklavenhütten auf Peachtree haben etwas Unheimliches. Falls Sie so viel Zeit haben – dieses Abenteuer sollten Sie sich nicht entgehen lassen.«
    »Abenteuer?« , wiederhole ich.
    Sie fährt herum. »Miss, ich muss Sie jetzt bitten zu gehen.«
    »Sie schmeißen mich raus?« Einen Moment lang starre ich sie und dann die anderen an, dann lache ich los.
    »Wenn Sie sich nicht augenblicklich zum Ausgang begeben, sehe ich mich gezwungen, die Security zu rufen. Sie stören fortwährend.«
    »Und sind sehr grob«, ergänzt eine Frau, und die alten Damen nicken, dass die roten Hutkrempen nur so auf und ab hüpfen.
    »Alles klar.« Ich mache kehrt, durchquere die stickigen Räume im Obergeschoss des Hauses, gehe die breite Treppe hinunter in die Halle und von da hinaus auf den Rasen.
    Die anderen stehen auf dem Balkon und schauen zu mir herunter, um sich zu vergewissern, dass ich auch wirklich gehe. Ich winke ihnen freundlich zu.
    Ich pfeif drauf, meine Lieben, ehrlich.
    Auf dem Weg zurück in die Stadt spreche ich einen kurzen Text in mein Diktiergerät, und dann vergesse ich die Plantagen. Ich will jetzt Eltern interviewen, will fragen, ob und wie sie das Täterregister nutzen, um ihre Kinder zu schützen. Meine erste Gesprächspartnerin wird Gwyneth Bigelow sein, zweifache Mutter und Mitglied im Vorstand des Children’s Museum – so bin ich online auf sie gestoßen. Sie wohnt im Garden District, der reichsten Gegend von New Orleans.
    Ich halte vor dem cremefarbenen kreolischen Haus der Bigelows an der St. Charles Avenue, mache den Motor aus, werfeeinen kurzen Blick in den Spiegel und zupfe mein Haar zurecht. Meine Wangen sind fahl von zu viel Kaffee. Also noch ein Hauch Rouge und ein Altoid-Pfefferminzdragee. Jetzt fühle ich mich schon besser.
    Die Vorgärten in New Orleans – wenn es denn überhaupt welche gibt – sind allesamt winzig, selbst hier, bei den stattlichen Häusern uptown. Mit drei Schritten habe ich den

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