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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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anderen Worten: Er ist auf der Suche nach einem erwachsenen Gegenüber, einem Seelenverwandten. Nicht nach flüchtigen Abenteuern.
    Zurzeit ist er mit niemandem zusammen, und ich weiß, das ganze Gerede davon, dass man sie umdrehen kann, ist Quatsch, ein Hirngespinst von Latinas, die den Drang haben, sich selbst zu bestrafen. Wäre ich nur Frau genug, könnte ich ihn von seiner Sünde erretten ... Wenn ich bloß an meine Mutter denke! Ständig hat sie sich darüber ausgelassen, wer in Wahrheit schuld ist an der Homosexualität. Ich weiß, dass es anders ist. Dass dasnicht funktioniert. Aber wenn es das täte, könnte ich glatt in Versuchung geraten, es bei Uri, dem Süßen, zu probieren.
    Nur nicht gerade jetzt. Momentan könnte ich nicht mal einen alten Bock verführen. In meinem Schädel hämmert es, und ich muss furchtbar aussehen. Also trinke ich meinen Tomatensaft und starre hinaus in den Regen.
    Endlich wirkt das Paracetamol. Ich raffe mich auf, und als ich geduscht und angezogen bin, hat es aufgehört zu regnen. Die Sonne scheint.
    Fährt man aus der Stadt hinaus, sammelt man die unterschiedlichsten Eindrücke, begegnet Anzeichen von Hoffnung und Aufbruch ebenso wie totaler Verwahrlosung: Hier wird auf einem handgemalten Schild Baumbeschnitt zu Discountpreisen angeboten, dort markiert eine rostfarbene Linie an einer Fassade, bis wo das Wasser gestanden hat, an einem anderen Haus prangt für eine Party ein Schild mit der Aufschrift: UNSERE LIEBE FRAU DES IMMERWÄHRENDEN CRAWFISHS. Ein Hof, in dem sich aus dem Hochwasser geborgener Hausrat türmt; eine von steinernen weißen Engeln flankierte Einfahrt; zugenagelte Läden, an denen ein Schild verkündet, dass GEÖFFNET ist. Ich fahre im Schatten riesiger Eichen, die ihre grünen Äste über die Straße recken, und unzählige Shotgun-Hütten ziehen vorbei.
    Mein Telefon klingelt. Calinda. »Hallo Nola. Geht’s dir gut?«
    »Ja, sicher. Warum auch nicht?«
    »Ach, nur so. Hör mal, du wolltest doch Informationen über den Fall Waybridge, oder?«
    »Ja. Was gibt’s?«
    »Wir haben die Zahnarztbefunde. Die passen zweifelsfrei zu unserer Unbekannten. Sie ist es.«
    »Scheiße. Tut mir leid.«
    »Wenigstens hat die Familie jetzt Gewissheit. Und, Nola, soll ich dir noch was Krankes erzählen?«
    »Reicht es nicht, dass er ihr das Gesicht weggeschnitten hat; ist das nicht krank genug?«
    »Der Bericht aus der Gerichtsmedizin ist da. Sie haben Spuren von Chemikalien in der Vagina gefunden.«
    »Samen?«
    »Nein, aber die Weichteile sind beschädigt. Wahrscheinlich hat er ein Kondom benutzt.«
    »Und was waren das für Chemikalien?«
    »Warte, ich schau nach.« Das Rascheln von Papier ist zu hören. »Natriumzitrat, Octoxinol und Cetylpyridiniumchlorid.«
    »Und was ist das für Zeug?«
    »Teilweise antiseptisch. Ist alles in Intimpflegeprodukten enthalten.«
    Es dauert eine ganze Weile, bis ich schalte. »Er hat eine Spülung gemacht.«
    »Ja. Und was sagt dir das?«
    Die Stadt fliegt vorbei, während meine Gedanken sich überschlagen. »Er weiß, dass seine DNA registriert ist. Er ist einschlägig vorbestraft. Er trifft aufwendige Vorsichtsmaßnahmen.« Genau die Sorte Mann, zu der ich gerade recherchiere.
    »Richtig. Und – Nola?«
    »Ja.«
    »Er hat ihr eine Brustwarze abgeschnitten und mitgenommen.« Für einen Moment wird die Sonne kalt und dunkel. Der Pontiac-Motor dröhnt in meinen Ohren. Dann bekomme ich wieder Luft.
    »Als Trophäe, meinst du.«
    »Oder als Souvenir.«
    »Hat sie da noch gelebt?«
    »Der Pathologe sagt, nein.«
    »Wenigstens das.«
    »Ja.« Sie räuspert sich. »Aber das darf ich dir alles gar nicht erzählen, klar?«
    »Nichts gesehen, nichts gehört.«
    »Das ist wichtig. Die Presse erfährt diese Einzelheiten nicht. ›Verstümmelt‹ werden wir sagen, weiter nichts. Dann ist es leichter, unter denen, die uns anrufen, die Verrückten herauszupicken. Okay? Du darfst also niemandem davon erzählen.«
    Das verspreche ich. Wir verabschieden uns. Ich fahre weiter, an vielen verlassenen Häusern vorbei, und muss an die Spülung denken. Ein letzter Akt der Gewalt. Einer Frau wird ein Plastikteil eingeführt, um auszuradieren, was ihr zuvor angetan worden ist. Ich frage mich, ob sie zu dem Zeitpunkt noch am Leben war oder bereits tot.
    Jenseits der Stadtgrenze tauchen grüne Felder auf und bieten zumindest dem Auge eine Erleichterung. Ich schalte den Tempomat ein, suche im Radio den lokalen Musiksender und drifte mit Dr. John ab: Home sweet home,

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