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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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Verabredung sein könnte. Mit wem ich gevögelt habe, der kommt mir nicht ins Haus. »Nein. Wir treffen uns da.«
    Er räuspert sich. »Das ist ungewöhnlich.«
    »Wem sagst du das.« Ich fahre mir durchs Haar. Mein Spiegelbild hat plötzlich rosige Haut und strahlende Augen. »Du weißt doch bestimmt, wo die St. Louis Cathedral ist, oder?«
    »Wer wüsste nicht, wo diese schöne Kirche steht?« Redet er allen Ernstes so? Mein Gott. Wie soll ich bloß einen ganzen Abend an der Seite von Meister Yoda überstehen?
    »Gut. Dann sei einfach ... halb sechs da, ja? Wir finden einander. Ich werde ein dunkelblaues Kleid anhaben. Indigo. Weißt du noch, wie ich aussehe?«
    »Natürlich, Nola. Und ich – ich werde einen grauen Anzug anhaben. Weißt du noch, wie ich aussehe?«
    Die ganze Zeit hab ich daran gedacht, wie du aussiehst.
    »Grauer Anzug. Ich finde dich«, sage ich.

13
    Frage: Wie viele zentrale Klimaanlagen – richtige große Anlagen, die auf einem eigenen Zementsockel stehen, nicht solche schäbigen kleinen Dinger, die im Fenster montiert sind – braucht es, um eine Villa am Audubon Place kühl zu halten?
    Antwort: vier. Ohne Quatsch.
    Freitagmorgen im Garden District. Ich nenne dem bewaffneten Wachmann am Tor zum Audubon-Place-Areal meinen Namen. George Anderson, der Kerl, der die Hausangestellten der Familie begrapscht hat, hat mich auf die Liste der zugelassenen Besucher gesetzt. Der gestreifte Schlagbaum hebt sich, ich kann weiterfahren.
    Die Privatstraße bildet eine Schleife, der ich folge. Die Rasenfläche in der Mitte, auf der verstreut hohe Königspalmen stehen, ist so groß, dass man darauf gut Fangen spielen könnte. Alte Eichen überschatten die Grünflächen, die Fußwege sind glatt und eben, nicht von knorrigen Baumwurzeln aufgeworfen wie an den meisten Straßen von New Orleans. Hier könnten Kinder wunderbar Rollschuh fahren.
    Doch es ist kein Mensch zu sehen. Audubon Place entspricht hundertprozentig den Bildern, die man von solchen Anwesen in Hochglanzmagazinen sieht.
    Ich passiere die Anderson-Villa, fahre noch ein paar Meter weiter und parke schließlich.
    Audubon Place, Audubon Park, Audubon Zoo. Der Naturforscher und Zeichner John James Audubon hat eine Weile auf einer Plantage in Louisiana gelebt, Malunterricht gegeben und die Vögel gezeichnet, die er im Süden beobachtete. Er ist relativ bald nach England zurückgekehrt, aber auf seinen Namen stößt man hier überall.
    Vor ihm haben Illustratoren ihre Modelle getötet und ausgestopft, und nach diesen starren Vorlagen haben sie gearbeitet. Entsprechend starr fielen die Bilder aus. Die Vögel waren tot, und genauso sehen sie auf den Zeichnungen auch aus.
    Audubon fing an, die Tiere mit Hilfe von Drähten in lebensechten Positionen zu fixieren, so als wären sie in Bewegung. Und er hat sie in Verbindung mit Pflanzen aus ihrem natürlichen Lebensraum gezeichnet.
    Es ist erstaunlich, wie lebendig etwas Totes wirken kann.
    Die Rasenflächen vor den Villen hier sind riesig und wunderschön, üppig, gepflegt – regelrechte Grünanlagen. Wo Sichtschutzwände stehen, sind sie von Weinranken überwuchert. Ich gehe auf die Anderson-Villa zu – schon nach den ersten paar Schritten bricht mir der Schweiß aus, so heiß ist es –, streiche hier über ein Stuck-Element, greife da nach einem saftigen Palmwedel. Obwohl ich mitten in New Orleans bin, herrscht hier die gediegene, ruhige Atmosphäre einer wohlhabenden Gegend. Abgesehen vom Zwitschern und Kreischen einer Spottdrossel ist praktisch nichts zu hören.
    George Anderson wohnt in einer Villa italienischen Stils – überall vergoldeter Stuck, Zitronenbäume, Palmen. Es dauert lange, bis auf mein Klingeln hin eine alte Dame die Tür öffnet.
    Eine zierliche Erscheinung mit blondem Haarknoten und lavendelblauem Jackie-O-Kostüm. An ihren Ohrläppchen wie im Dekolleté glitzern quadratisch gefasste Diamanten. Sie streckt mir eine kleine Hand entgegen, die ich ergreife.
    »Treten Sie doch näher«, sagt sie und geleitet mich ins kühle Innere des Hauses. »Wir freuen uns sehr, Sie hier zu haben.« Und dann führt sie mich durch eine Reihe prachtvoller Räume, über Parkett, Marmorböden und Orientteppiche. Echte, nicht solche 199-Dollar-Dinger vom Discounter. Weder riecht es hier wie sonst fast überall in New Orleans – nach Hitze und vor sich hin rottendem Müll – noch nach einem künstlichen Duftspender. Hier steht kein Geißblatt-Potpourri herum, hier ist nicht eigens vor dem Eintreffen des

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